Belarussische Oppositionskandidatin nach Litauen geflüchtet


Ein Toter bei Protesten gegen Lukaschenkos angebliche Wiederwahl

Angesichts der Gewalt bei den Protesten gegen die angebliche Wiederwahl des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko ist die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja nach Litauen geflüchtet. “Sie ist in Litauen angekommen und in Sicherheit”, sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Die politische Lage in Belarus ist nach der Wahl extrem angespannt: Die Polizei ging mit brutaler Gewalt gegen tausende Demonstranten vor, die gegen Lukaschenkos angebliche Wiederwahl protestierten – dabei kam ein Regierungsgegner ums Leben.

Linkevicius machte keine näheren Angaben zu Tichanowskajas Flucht. Litauen, das der EU und der Nato angehört, war in der Vergangenheit schon öfter Zufluchtsort für Oppositionelle aus Belarus und Russland. Am Montag hatte zunächst Unklarheit über Tichanowskajas Aufenthaltsort geherrscht. Nachdem der litauische Außenminister über mehrere Stunden lang vergeblich versucht hatte, sie zu erreichen, äußerte er Sorgen hinsichtlich ihrer Sicherheit.

In der belarussischen Hauptstadt Minsk war es am Montag am zweiten Abend in Folge zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen. Ein Mann sei durch einen Sprengsatz getötet worden, den er auf Polizisten habe schleudern wollen und der in seinen Händen explodiert sei, teilte das Innenministerium mit. Darüber hinaus wurden laut einer Polizeisprecherin mehrere Menschen bei den Protesten verletzt. Eine genaue Zahl der Verletzten nannte sie nicht.

Die Demonstranten werfen dem seit 26 Jahren autoritär regierenden Lukaschenko massiven Wahlbetrug vor. Laut dem offiziellen Wahlergebnis soll er am Sonntag mit mehr als 80 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit wiedergewählt worden sein. Tichanowskaja, die im Vorfeld der Wahl großen Zulauf bei ihren Kundgebungen hatte, soll nur auf knapp zehn Prozent gekommen sein. Regierungsgegner sind sich sicher, dass in Wahrheit Tichanowskaja die meisten Stimmen bekommen hat. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission äußerten massive Zweifel an dem offiziellen Wahlergebnis.

Auf Empörung stößt international auch, dass die Sicherheitskräfte mit großer Brutalität gegen die zu Tausenden protestierenden Menschen vorgehen. Die Polizei feuerte auch am Montagabend Gummigeschosse, Blendgranaten und Tränengas ab, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP und andere Augenzeugen berichteten.

Demonstranten warfen Steine auf die Sicherheitskräfte und schossen Feuerwerkskörper ab. “Unser Ziel ist es, Lukaschenko abzusetzen”, sagte der 34-jährige Demonstrant Pawel zu AFP. “Er ist es nicht wert, Präsident zu sein.”

Bereits bei den Demonstrationen am Vortag waren nach Angaben des Innenministeriums mehr als 50 Zivilisten sowie 39 Polizisten verletzt worden. In Minsk und anderen Städten waren in den Stunden nach Schließung der Wahllokale demnach insgesamt rund 3000 Demonstranten festgenommen worden.

Tichanowskaja hatte nach Angaben aus ihrem Umfeld nicht an den Protesten teilgenommen. Auf diese Weise wolle sie “Provokationen vermeiden”, sagte Anna Krasulina, die Sprecherin der Präsidentschaftskandidatin, zu AFP. “Die Behörden können jede provokative Situation ummünzen, um sie zu verhaften. Und wir brauchen sie in Freiheit”, sagte die Sprecherin über Tichanowskaja.

Zuvor hatte die 37-jährige Oppositionskandidatin klar gemacht, dass sie das offizielle Wahlergebnis nicht anerkennt und sich selbst als Gewinnerin der Wahl sieht. An die Regierung appellierte Tichanowskaja, diese solle überlegen, “wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann”. Tichanowskaja begab sich nach Angaben ihrer Sprecherin am Montag zur Wahlkommission, um Beschwerde gegen das Ergebnis einzulegen.

Ursprünglich hatte Tichanowskajas Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, bei der Präsidentschaftswahl antreten wollen. Tichanowskaja kandidierte dann an seiner Stelle, nachdem ihr Mann inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war.

by Von Tatiana Kalinovskaya

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