Berliner Verwaltungsgericht hebt Corona-Demonstrationsverbot auf


Versammlungsbehörde kann vor Oberverwaltungsgericht ziehen

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot der für Samstag geplanten Großdemonstration gegen die Corona-Politik wieder aufgehoben. Der Anmelder habe durch die Bereitstellung von 900 Ordnern und hundert Deeskalationsteams “hinreichende Vorkehrungen” getroffen, entsprechend auf die Versammlungsteilnehmer einzuwirken, teilte das Gericht am Freitag mit. Aus dem Konzept des Anmelders ist demnach nicht zu erkennen, dass er das Abstandsgebot bei der für 22.500 Menschen angemeldeten Veranstaltung “bewusst missachten” werde.

Eine solche Prognose lasse sich weder aus dem Verlauf der Versammlung am 1. August noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Corona-Politik ableiten, erklärte das Gericht. Die Initiative Querdenken 711 hatte die Veranstaltung unter dem Titel “Fest für Frieden und Freiheit” angemeldet. Die Initiative hatte auch bereits die Versammlung vor vier Wochen angemeldet.

Damals demonstrierten in Berlin mehr als 20.000 Menschen gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen. Dabei wurden Hygieneauflagen bewusst missachtet. Neben Corona-Leugnern und radikalen Impfgegnern waren auch viele Teilnehmer mit eindeutig rechtsgerichteten Fahnen oder T-Shirts in der Menge zu erkennen.

Das Verwaltungsgericht bemängelte am Freitag, die Versammlungsbehörde habe nur unzureichend Alternativen zu einem Versammlungsverbot geprüft wie etwa die Änderung des Orts oder eine Begrenzung der Teilnehmerzahl. Allerdings muss der Veranstalter dem Urteil zufolge weitere Auflagen beachten: Im Bühnenbereich müssen Gitter aufgestellt werden, auch muss regelmäßig auf die Mindestabstände hingewiesen werden. Die Versammlungsbehörde darf außerdem weitere Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstands erlassen.

Die Berliner Polizei ist am Samstag mit 3000 Beamten im Einsatz. “Am Ende werden wir nicht zusehen können und auch nicht wollen, wie sich zehntausende wieder versammeln und Infektionsrisiken schaffen”, sagte Einsatzleiter Stephan Katte am Freitag. Unter den Einsatzkräften sind demnach auch tausend Beamte vom Bund und aus anderen Bundesländern.

Die Polizisten stünden vor einer “deutlichen Herausforderung”, sagte Katte. Am Mittwoch hatte die Versammlungsbehörde die Kundgebung verboten. Gegen den Beschluss vom Freitag kann die Versammlungsbehörde vor das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ziehen. Seitens der Polizei hieß es dazu, der Beschluss des Verwaltungsgerichts liege vor. Eine Beschwerde dagegen werde geprüft.

Katte erläuterte, die Beamten stellten sich auf mehrere verschiedene Szenarien ein. Kommunikation vor Ort stehe dabei “im Vordergrund”, betonte er. “Wir waren immer gesprächsbereit und sind immer gesprächsbereit.”

Polizeipräsidentin Barbara Slowik mahnte angesichts von Gewaltaufrufen im Internet in Kreisen der Gegner der Corona-Politik zur Gewaltfreiheit. “Handeln Sie bitte verantwortungsbewusst und vernünftig – es gibt nichts, was Gewalt legitimieren kann.”

Der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla begrüßte die Gerichtsentscheidung. Sie sei ein “Sieg der Freiheit”, erklärte er. Der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki forderte den Berliner Senat dazu auf, nicht gegen das Urteil vorzugehen. “Anders als der Berliner Innensenator glaubt, hält unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung eben auch extreme Positionen aus, ohne sich mit ihnen gemein zu machen”, sagte Kubicki dem “Tagesspiegel”.

Unterdessen berichtete der Berliner Landesverband des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, die Hotels in der Hauptstadt verzeichneten spürbar mehr Buchungen für das Wochenende. “Wir gehen davon aus, dass die Zimmer im Zusammenhang mit der Demonstration gebucht wurden”, sagte der Landesverbandschef Thomas Lengfelder der “Augsburger Allgemeinen”.

by Von Sarah EMMINGHAUS

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