Collien Ulmen-Fernandes: “Wenn mein Mann nervt, gehe ich Einkaufen”


Alltag in der Corona-Krise

Die Corona-Krise stellt uns alle vor ungewohnte Herausforderungen. Besonders hart trifft es Familien mit Kindern. Wohin mit dem Nachwuchs, wie gelingt der Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling? Moderatorin, Schauspielerin und Autorin Collien Ulmen-Fernandes (38) beleuchtet in der neuen Social Factual “Familien allein zu Haus” (25. April, 19:30 auf ZDFneo) den neuen Alltag von Familien in Corona-Zeiten. “Als ich selbst plötzlich Ersatzlehrerin war und mein Kind zum Erledigen der Schulaufgaben motivieren musste, fragte ich mich, wie das wohl in anderen Familien derzeit läuft”, erklärt die Mutter einer achtjährigen Tochter die Idee dahinter und gewährt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news zudem Einblicke in ihre eigene Corona-Isolation mit Ehemann Christian Ulmen (44).

“Familien allein zuhaus – Elternsein in Zeiten von Corona” setzt sich mit den aktuellen Herausforderungen auseinander. Wie lange hat es von der Idee bis zur Umsetzung gebraucht?

Collien Ulmen-Fernandes: Das ging blitzschnell. Als ich selbst plötzlich Ersatzlehrerin war und mein Kind zum Erledigen der Schulaufgaben motivieren musste, fragte ich mich, wie das wohl in anderen Familien derzeit läuft. Homeoffice für die Eltern heißt ja nicht, dass man auf einmal mehr Zeit hat, in der man die Kinder unterrichten kann. Im Gegenteil. Zurzeit kommen viele Mails rein, mit dem Hinweis “Bitte bis morgen erledigen”, da einige Menschen davon ausgehen, dass man gerade sehr viel Zeit hat und nur auf Beschäftigung wartet. Wir sitzen meist bis spätabends am Computer. Andere leiden darunter, dass sie gerade nichts zu tun haben. Auch das kann sehr zermürbend sein. Es ist für alle eine Ausnahmesituation. Ich fragte mich, wie es anderen Familien geht, wie ihr Alltag gerade aussieht. Wie schaffen wir es, als Nicht-Lehrer, Kinder zur Konzentration zu verhelfen? Und überhaupt: Wie geht das mit dem Wurzelziehen eigentlich noch mal? Ich erzählte meiner Produzentin Ina Eck von der Idee, die noch am selben Tag ZDFneo davon überzeugen konnte, diese Doku zu machen.

Was genau erwartet die Zuschauer in der Sozial-Doku?

Ulmen-Fernandes: Unser Leben hat sich auf einen Schlag verändert. Wir sollen zu Hause bleiben, Schule und Arbeit finden zu Hause statt, Großeltern sollen nicht besucht werden, Freunde treffen wir nur noch im Netz. Eine ungeplante Konzentration auf uns selbst. Diese Situation legt das Leben auf einen Objektträger, wie unter dem Mikroskop tritt alles viel deutlicher zutage, jede kleine Schieflage wird sichtbar. Wir wollen wissen, wie läuft der Corona-bedingte Lockdown für Familien? Wie können wir es schaffen, den Alltag mit all den neuen Herausforderungen zu bewältigen? Was zeigt uns diese Zeit über uns selbst und über die Gesellschaft, in der wir leben? Und was können wir davon in unsere Zukunft mitnehmen? Man merkt doch schon jetzt, dass politische Versäumnisse und Schieflagen auch diese gesellschaftliche Extremsituation bestimmen. Es gibt Leute, die in ländlichen Regionen leben, dort im Homeoffice ihre Arbeit erledigen müssten, aber aufgrund der geringen Internetgeschwindigkeit nicht in der Lage dazu sind. Geht man einen Schritt zurück, wird deutlich, dass lauter offene Fragen zutage treten, bei denen seit Jahren um Antworten gerungen wird. Auch innerfamiliär: Wie viel Medienzeit erlaube ich meinem Kind und wie viel der unbezahlten Arbeitslast erledigen eigentlich immer noch in erster Linie die Frauen?

Wie wurden die Kontaktbeschränkungen und die behördlichen Regelungen bei den Dreharbeiten eingehalten?

Ulmen-Fernandes: Das Team trug Masken und wir haben während des Drehs reichlich Abstand zueinander gehalten. Außerdem haben wir öffentliche Räume gemieden und auf Privatgeländen gedreht.

Viele Dreharbeiten zu Serien- und Filmproduktionen wurden bereits gestoppt. Wie sehr trifft die Krise Sie und Ihren Mann Christian Ulmen beruflich?

Ulmen-Fernandes: Da ich zurzeit verstärkt Dokumentationen drehe, konnte ich die Krise zum Thema machen. Eigentlich hätte ich in diesem Monat eine andere Sendung gedreht, aber diese andere Sendung wurde erst mal verschoben. Gerade drehe ich täglich für “Familien Allein Zuhaus”. Wenn die Dreharbeiten abgeschlossen sind, habe ich Talkshow-Auftritte zu meiner Sendung, nebenbei arbeite ich als Kolumnistin für die “Süddeutsche Zeitung” und arbeite an Teil zwei meines Buches, das sich mit Geschlechtervorurteilen bei Kindern befasst, somit bin ich gerade ganz gut ausgelastet. Ich muss mir zum Glück keine existenziellen Sorgen machen. Das Gleiche gilt für meinen Mann. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

Wie verbringen Sie als Familie die Corona-Isolation zu Hause?

Ulmen-Fernandes: Wir haben das Glück, in einem großen Haus zu leben und uns hin und wieder auch aus dem Weg gehen zu können. Darum gibt es bei uns nur bedingt Lagerkoller. Wenn mein Mann mich zu sehr nervt, fahre ich in den Supermarkt, irgendetwas braucht man ja immer. Da lasse ich mir dann ganz viel Zeit und komme mit einem Großeinkauf zurück.

Wie handhaben Sie das Homeschooling Ihrer Tochter?

Ulmen-Fernandes: Puh. Schwierig. Vor den Osterferien ist meine Tochter für eine halbe Woche in den Arbeitsstreik getreten. Ich weiß seitdem sehr zu schätzen, was die LehrerInnen Tag für Tag leisten. Theoretisch bekommt sie via Homeschooling-App Schulaufgaben, die sie abarbeiten soll. Theoretisch! Praktisch klappt das zurzeit eher so semi-gut.

Haben Sie für die Eltern ein paar Tipps parat?

Ulmen-Fernandes: Ich nicht, aber die Experten und Expertinnen bei “Familien allein Zuhaus”. Ich spreche mit Hirnforschern, Pädagogen, Psychologen. Das war alles sehr erkenntnisreich.

Wie sehr nagt die aktuelle Situation an Ihren Nerven?

Ulmen-Fernandes: Ich mache mir Sorgen um meine Eltern und die Schwiegereltern. Ich wünschte, sie würden einfach zu Hause bleiben, aber mein Vater, der aufgrund diverser Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe gehört, fährt ständig in den Baumarkt. Er kann einfach nicht stillsitzen. Ständig ist er unterwegs. Ich hoffe, dass sie gesund bleiben. Das bereitet mir derzeit die größte Sorge.

Was ist in der aktuellen Situation das Schwierigste für Sie?

Ulmen-Fernandes: Die Ungewissheit. Wie lange dauert der Ausnahmezustand? Wird es eine zweite Welle geben? Wie viele Menschen wird die Krise in die Insolvenz treiben? Was macht das mit unserer Gesellschaft? Wann wird es einen Impfstoff geben? All das beschäftigt mich. Aber: Ich bin froh, dass in dieser Situation die Wissenschaft wieder gehört wird. Trump, die AfD, Verschwörungstheorien und ihre Verbreiter in den sozialen Netzwerken – es hatte zuvor eine regelrechte Verachtung der Wissenschaft und Forschung gegeben. Sie wich einer unerträglichen Mischung aus Besserwisserei und die sogenannten “alternativen Fakten” grassierten. Die Krise könnte im besten Fall eine Rückbesinnung auf die Errungenschaften der Wissenschaft nach sich ziehen.

Was fehlt Ihnen aktuell am meisten?

Ulmen-Fernandes: Mit der Familie am Wochenende essen zu gehen. Aktuell kocht mein Mann. Es gibt Spaghetti Bolognese. Jeden Tag. Seit Wochen. Das ist auch toll. Trotzdem freue ich mich schon darauf, wenn die Restaurants wieder geöffnet sind.

Welche Serien, Filme, Bücher haben Sie in der Corona-Isolation bereits verschlungen?

Ulmen-Fernandes: Noch keine. Ich kam bisher nicht dazu, freue mich aber darauf, wenn mal wieder etwas mehr Zeit ist. Dann möchte ich erst mal den Schrank ausmisten und das Badezimmer neu fliesen. Danach kommen Bücher, Filme und Serien dran.

(obr/spot)

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