EU besiegelt Kauf von bis zu 1,8 Milliarden weiteren Biontech-Impfdosen


EU-Gipfel sieht Freigabe von Impfstoff-Patenten nicht als “Wunderlösung”

Inmitten der Diskussion über die Aussetzung von Patenten für Corona-Impfstoffe hat sich die EU bis zu 1,8 Milliarden weitere Biontech-Impfdosen gesichert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündete die Vertragsunterzeichnung am Samstag am Rande des EU-Sozialgipfels in Portugal. Auf den Vorstoß der USA zur Freigabe von Patenten reagierten die EU-Staats- und Regierungschefs zurückhaltend. Sie forderten Washington auf, den Vorschlag zu konkretisieren.

Nach Angaben von der Leyens wurde mit dem Mainzer Unternehmen Biontech und seinem US-Partner Pfizer eine Vereinbarung über 900 Millionen Impfdosen sowie Optionen auf 900 Millionen weitere Impfdosen für die Jahre 2021 bis 2023 erzielt. Die EU will sich damit für Auffrischungsimpfungen und gegen mögliche künftige Mutationen des Virus rüsten.

In der EU zugelassen sind bislang neben dem Vakzin von Biontech und Pfizer die Corona-Impfstoffe von Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson. Bei Curevac, Sputnik V und Sanofi-GSK steht eine Zulassung noch aus.

Insbesondere bei Astrazeneca hatte es in den vergangenen Monaten massive Lieferverzögerungen gegeben. Der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns war zudem in den vergangenen Wochen vor allem auch wegen seltener schwerer Nebenwirkungen in die Schlagzeilen geraten. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten die Astrazeneca-Impfungen nach Fällen von Blutgerinnseln vorübergehend gestoppt, nach einer Empfehlung der EU-Arzneimittelbehörde EMA aber wieder aufgenommen.

In der Debatte über eine Aussetzung von Impfstoff-Patenten vermieden die EU-Staats- und Regierungschefs eine konkrete Festlegung. Die Teilnehmer des Gipfels in Porto seien nicht der Meinung, dass eine Freigabe “kurzfristig eine Wunderlösung” sei, um die weltweite Impfstoffknappheit zu beseitigen, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstag. “Aber wir sind bereit, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, sobald ein konkreter Vorschlag auf den Tisch kommt”.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte am Mittwoch überraschend signalisiert, dass sie eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe unterstützen will. Aus den Reihen der EU-Staaten war dies teilweise begrüßt worden. Schon zum Auftakt des Gipfels in Porto mehrten sich aber die skeptischen Stimmen. Auch die Bundesregierung bewertete den Vorstoß kritisch.

“Wir sind uns alle einig, dass wir alles Mögliche tun müssen, um die Produktion von Impfstoffen überall auf der Welt zu erhöhen”, sagte Michel, nachdem die Staats- und Regierungschefs über das Thema am Freitagabend beraten hatten. Er verwies dabei darauf, dass die EU im Gegensatz zu anderen Impfstoff-Produzenten zum Export bereit sei. Die EU ermutige “alle Partner”, ihrerseits Ausfuhren zu ermöglichen.

“Priorität haben nicht die Patente”, sagte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Es gehe um die Frage, ob Herstellerländer auch bereit seien zu exportierten. Hier müsse es mehr Solidarität geben. Darüber hinaus gehe es um die Weitergabe von Technologie für die Produktion, damit mehr Fabriken die komplexen Herstellungsprozesse für die Impfstoffe beherrschten.

Die Patent-Frage müsse diskutiert werden, sagte Macron. Dies müsse “aber in einer begrenzten Weise” erfolgen, wie das bei der Freigabe der Patente für bestimmte Mittel gegen Aids der Fall gewesen sei, um sie auch ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen. Wenn geistige Eigentumsrechte aber regelrecht “zerrissen” würden, gingen dadurch Anreize für Innovation verloren.

Unterstützung erhielten die Befürworter einer Aussetzung von Impfstoff-Patenten von Papst Franziskus. In der Corona-Pandemie wünsche er sich einen “Geist der Gerechtigkeit, der uns mobilisiert, um den allgemeinen Zugang zu Impfstoffen und die vorübergehende Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte zu gewährleisten”, sagte das katholische Kirchenoberhaupt in einer Videobotschaft anlässlich des Benefizkonzerts “Vax Live”.

by Luis Vieira

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