FDP warnt CDU vor “Schweinsgalopp-Verfahren” für Online-Vorsitzendenwahl


Kritik auch von Linken und Grünen

Aus der Opposition ist scharfe Kritik an Forderungen aus der CDU nach schnellen Gesetzesänderungen zum Abhalten digitaler Vorstandswahlen gekommen. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann zeigte sich am Montag zwar gegenüber dem “Wir” bereit zu einer “seriösen Debatte um digitalere Wahlen”. “Aber ein Schweinsgalopp-Verfahren, um mit einer Grundgesetzänderung den nächsten CDU-Parteitag zu retten, ist mit der Würde der Verfassung in meinen Augen nur schwer vereinbar”, mahnte er.

Auch Vertreter von Linken und Grünen zeigten zunächst wenig Bereitschaft, der CDU durch eine schnelle Gesetzesänderung die digitale Wahl einer neuen Parteiführung zu ermöglichen. Der neue Parteichef soll Mitte Januar gewählt werden, dies hatten die Vorsitzanwärter Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen am Wochenende vereinbart.

Wegen der Corona-Pandemie ist es aber fraglich, ob diese Wahl wie üblich auf einem Präsenzparteitag abgehalten werden kann. Bislang ist offen, in welchem Format CDU-Parteitag und Wahl stattfinden. Für eine Online-Wahl müsste zunächst eine rechtliche Grundlage geschaffen werden.

Die Frage, ob für digitale Vorstandswahlen eine Änderung des Parteiengesetzes oder gar des Grundgesetzes notwendig wäre, ist umstritten. Eine von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) beim Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments in Auftrag gegebene Prüfung ergab nach “Wir”-Informationen, dass eine Änderung des Parteiengesetzes ausreichen könnte.

Skeptisch zur CDU-Forderung nach einer raschen Gesetzesänderung äußerte sich Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte. “Die Chaos-Tage in der CDU sind auch nicht durch Online-Wahlen zu beheben”, sagte Korte. Er halte digitale Vorstandwahlen für “extrem fragwürdig”, fügte er hinzu. “Insbesondere weil digitale Wahlen auch zu hacken sind. Aber natürlich stehen wir zu interfraktionellen Gesprächen zur Verfügung.”

Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann forderte “eine Reform des Parteiengesetzes zur dauerhaften Verankerung von elektronischer Demokratie”. Es liegt nicht an den Grünen, “dass hier bisher nichts passiert ist”, sagte Haßelmann.

Der Chef der Nachwuchsorganisation Junge Union, Tilman Kuban, warnte derweil vor rechtlichen Unsicherheiten bei einer Briefwahl zur Wahl eines neuen Vorsitzenden. “Theoretisch können für die Briefwahl noch weitere Kandidaten ihren Hut in den Ring werfen, die vorher gar nicht online kandidiert haben”, sagte er der “Rheinischen Post”.

Deswegen müssten die rechtlichen Voraussetzungen für digitale Wahlen verbessert werden. “Ich hoffe aber, dass sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind und jetzt eine unkomplizierte und sichere Wahl ermöglichen”, sagte Kuban. “Wir brauchen eine unangreifbare Entscheidung am 16. Januar.” Die Junge Union will am Dienstag das Ergebnis ihrer internen Mitgliederbefragung zu den Vorsitzkandidaten vorstellen.

CDU-Vizechefin Silvia Breher begrüßt, dass der wegen der Corona-Krise verschobene Bundesparteitag der Christdemokraten nun im Januar stattfinden soll. “Ein Präsenzparteitag wäre immer noch ideal”, sagte sie der “Passauer Neuen Presse”. “Wenn das im Januar nicht geht, werden wir mit Sicherheit einen guten, hybrid-digitalen oder rein digitalen Parteitag stemmen.”

Merz verteidigte derweil seinen Vorwurf der Intrige gegen Teile der Parteispitze. In jeder Familie, selbst in der besten, gebe es mal einen ordentlichen Krach, rechtfertigte der Vorsitzkandidat im Deutschlandfunk seine harsche Wortwahl. Das sei aber jetzt erledigt.

Merz hatte zuvor Teilen der Parteispitze vorgeworfen, die von ihr beschlossene Verschiebung des CDU-Bundesparteitages sei nicht wie zur Begründung angegeben in erster Linie der Corona-Pandemie geschuldet, sondern “der letzte Teil der Aktion ‘Merz verhindern'” gewesen.

by Michael Kappeler

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