Hauptangeklagter gesteht tödlichen Schuss auf Lübcke


E. zeigt Reue und nennt Tat “feige und grausam”

Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat der Hauptangeklagte Stephan E. den tödlichen Schuss auf den Politiker gestanden. “Ich habe geschossen”, ließ E. am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main von seinem Anwalt erklären. E. zeigte Reue für die Tat. “Was ich und H. Ihnen angetan haben, wird immer unentschuldbar bleiben”, erklärte er an die Familie Lübcke gerichtet und bezog dabei seinen mitangeklagten mutmaßlichen Komplizen Markus H. mit ein.

“Was wir getan haben, war falsch”, hieß es in E.s Aussage weiter. “Niemand sollte sterben, weil er eine andere Meinung hat.” Er habe sich von “falschen Gedanken” leiten lassen und übernehme dafür Verantwortung. Die Tat bezeichnete er als “feige und grausam”. Er distanziere sich von den Gedanken, die zu der Tat geführt hätten.

E. machte H. in seiner Erklärung schwere Vorwürfe. “Die Radikalisierung ging von ihm aus”, ließ der Hauptangeklagte erklären. “Und ich habe es ihm erlaubt, so mit mir umzugehen.” Die tägliche Agitation H.s sei gefährlich gewesen, weil er Zugriff auf Waffen gehabt habe.

H. sei für E. eine Mischung aus Freund und Vater gewesen. Er habe bestimmt, was gemacht werde. Sein Auftreten ließ E. als “dominant” beschreiben. “Ich war von seinem Wissen und der Art der Kommunikationsführung dermaßen beeindruckt, dass ich mich ihm unterordnete.” E. sei “emotional abhängig” von H. gewesen.

Bei einer gemeinsamen Schießübung habe H. eines Tages eine Zielscheibe mit einem Bild von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mitgebracht. Er habe gesagt, dass er auch eine mit einem Bild Lübckes besitze.

Nach einer Bürgerversammlung in Lohfelden 2015, auf der Lübcke die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft verteidigt hatte, habe H. gesagt, dass Lübcke im Gegensatz zu Merkel jemand sei, an den man “rankommen könne”. Die Einschätzungen H.s, dass Lübcke ein “Volksverräter” und ein “Repräsentant des BRD-Regimes” sei, habe habe E. damals als “plausibel und nachvollziehbar” wahrgenommen, erklärte E.s Anwalt.

An die Adresse des Vorsitzenden Richters Thomas Sagebiel ließ E. erklären, dass er an einem Aussteigerprogramm für Rechtsextremismus teilnehmen wolle. Die Trennung von seiner Familie belaste ihn sehr. Seine Tochter wolle keinen Kontakt zu ihm.

“Ich kann es ihr nicht verübeln”, hieß es in der Erklärung. E. hoffe, dass sie ihm irgendwann verzeihen könne. In seiner Aussage ging E. auch auf seinen eigenen Familienhintergrund ein. Er sei mit einem alkoholkranken Vater aufgewachsen, der ihn und seine Mutter geschlagen habe.

Insgesamt setzte das Gericht drei Verhandlungstage für die Aussage von E. und Rückfragen an. Die Einlassung verschob sich durch die Abberufung von E.s Verteidigers Frank Hannig in der vergangenen Woche.

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. In einer ersten Vernehmung gestand E. wenige Tage nach seiner Festnahme den Mord an Lübcke.

Dabei gab er an, allein gehandelt zu haben. Kurze Zeit später widerrief er sein Geständnis. Im Januar ließ sich E. erneut zu den Tatvorwürfen ein, beschuldigte jedoch H., Lübcke im Streit versehentlich erschossen zu haben.

by Von Annalena DÖRNER

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