[Kommentar] Chrome testet nativen Adblocker in der Android-App – Eine gute Idee?



Im Chrome Dev- und Canary-Channel läuft bereits die Testphase für den integrierten Adblocker an. Aber was genau soll man von dieser Entwicklung nun halten? Ein paar Gedanken zur Werbung im Internet.

Google Chrome ist auf der Android-Plattform nicht nur als Standard-Browser vertreten, sondern steht auch dort für neugierige Nutzer und Entwickler in zwei Testversionen bereit: Chrome Dev und Chrome Canary. Beide erhalten mit einem integrierten Adblocker jüngst ein neues Feature, das man 2018 auch in die Stable-Version des populären Browsers integrieren möchte. Damit lässt sich in den Einstellungen festlegen, dass Werbung “Auf einigen Websites blockiert” werden soll.

Chrome Dev und Canary lassen sich parallel zum normalen Chrome-Browser installieren, wozu auch geraten sei, da die Entwicklervarianten zwar immer wieder mit experimentellen Features oder eben solchen Tests aufwarten, aber eben auch nicht immer ganz stabil laufen. Ich verzichte an dieser Stelle aber bewusst darauf, die genannten Anwendungen zu verlinken und würde stattdessen gerne ein paar Bedenken zu der Thematik äußern.

Google hat bereits eine unerhörte Marktmacht in diesem Bereich

Mit Google Chrome hat das Unternehmen sowohl im Desktop- (etwa 60 Prozent Marktanteil) als auch im Mobile-Bereich (etwa 56 Prozent Marktanteil) bereits den populärsten Browser geschaffen. Davon abgesehen dominiert Google selbstverständlich den Markt für Suchmaschinen (etwa 95 Prozent Marktanteil in DE 2016) und erst recht die Online-Werbung, wo Facebook beinahe der einzig nennenswerte Konkurrent sein dürfte.

Einen Adblocker in Chrome zu integrieren würde sich also vermutlich bei vielen Website-Betreibern bemerkbar machen, wobei das Problem aber vor allem darin besteht, dass Werbeinhalte eben nur “Auf einigen Websites blockiert” wird. Mit anderen Worten: Google kann darüber entscheiden, welche Werbebanner durchgelassen werden und welche nicht. Und ohne dem Unternehmen da jetzt böse Absichten unterstellen zu wollen, dürfte es doch relativ unwahrscheinlich sein, dass in AdSense enthaltene Werbeformate als inakzeptabel bewertet werden – und wenn doch stellt sich die Frage, weshalb Google diese im Interesse seiner Nutzer nicht längst entfernt hat.

Daten von netmarketshare.com via googlewatchblog.de

Dass Acceptable Ads ein schwieriges Thema sind, demonstrieren schon die dubiosen Praktiken der Eyeo Gmbh, kombiniert mit der Marktmacht Googles, für die Online-Werbung noch immer die entscheidende Umsatzquelle ist, entwickelt das Thema aber eine ganz andere Sprengkraft. Denn in Zukunft könnte AdSense im Kampf um Werbekunden in die Waagschale werfen, dass man garantieren kann, dass die Inhalte den Richtlinien für akzeptable Werbeformate sowohl des populärsten Internet-Browsers, als auch der dominierenden Suchmaschine entsprechen – ein nicht unwesentliches Argument.

Darüber hinaus trägt Google so natürlich auch dazu bei, dass Adblocker weiter Verwendung finden. Schon so nutzt laut dem Reuters Digital News Report 2016 bereits ein Viertel der deutschen Internetnutzer einen Adblocker ein, in der für die Onlinewerbung besonders interessanten Altersgruppe der unter-35-Jährigen sind es sogar über 45 Prozent. Insbesondere für Websites, die sich ausschließlich auf die Einnahmen durch Werbeanzeigen verlassen, nimmt der Trend zuweilen existenzbedrohende Ausmaße an.

Online-Advertising ist eine Katastrophe

Aber um das einmal zu relativieren und in einen Kontext zu setzen: Es gibt durchaus gute Gründe, einen Adblocker einzusetzen, denn neben Datenschutzbedenken und einer Verbesserung der Performance erscheint die Aussicht, sich gegen das Volumen und die ablenkende Natur der Werbung zu wehren, für den einzelnen User erst einmal durchaus attraktiv.

Nachdem die ersten verlässlichen Zahlen den Hype um Online-Advertising relativ bald auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben (alle Interaktivität bringt nichts, wenn die Nutzer einfach kein Interesse an Werbung haben) wurde nicht einfach das Finanzierungsmodell überdacht und zum Beispiel eine Paywall frühzeitig als Alternative etabliert.

Eine durchschnittliche Website (Abbildung ähnlich)

Stattdessen baute man immer mehr, immer aufdringlichere Werbung ein, um mit automatisch abspielenden Videos, ausgefuchsten Tracking-Methoden und seitenfüllenden Pop-Ups wenigstens versehentliche Klicks zu generieren; gerne auch auf den weiter aufstrebenden mobilen Plattformen. Kein Wunder also, dass sich User gegen diese Usability-Katastrophen mit Adblockern wehren und einfach alle Werbeinhalte ausblenden möchten. Nur findet das Katz-und-Maus-Spiel damit auch kein Ende, denn:

  1. Adblocker tragen mit dazu bei, dass Advertorials und Native Advertising aus der wohlverdienten Versenkung getrieben werden. Native Advertising-Formate sind gegen Adblocker gefeit, da sie meist weder von Nutzern noch von der Software eindeutig als Werbeformat identifiziert werden können. Sponsored Posts und Influencer-Inhalte überschwemmen deshalb nicht nur Buzzfeed, Instagram und Youtube, sondern vor allem auch die Onlineauftritte von Blogs und seriösen Zeitungen. Kombiniert mit den furchtbaren “Das könnte dich auch interessieren”-Inhalten von Outbrain und plista kommt die Werbeindustrie so ihrem bekennenden Ziel immer näher, die Grenze zwischen redaktionell aufbereiteten und kommerziellen Inhalten immer weiter verschwinden zu lassen und privatwirtschaftlichen Unternehmen Zugang zum “redaktionellen” Teil zu verschaffen.
  2. Werbeinhalte, die sich nicht irgendwie als Inhalt verkleiden lassen, werden mit immer aggressiveren Methoden verbreitet, um sicherzustellen, dass die verbleibenden Nutzer ohne entsprechenden Adblocker auch auf jeden Fall darauf gestoßen werden. Das wiederum verleitet immer mehr Nutzer zur Installation eines Adblockers – ein Teufelskreis.

Eine unbefriedigende Gesamtsituation

In den kommenden Monaten und Jahren wird sich diese Situation sicher nicht bessern. Denn nachdem in der Vergangenheit nur einzelne Mobile-Browser eine Möglichkeit boten, Werbeinhalte zu blockieren, verändern sich die Kräfteverhältnisse ab 2018 dann dramatisch und eine der letzten Adblocker-freien Bastionen des Internets (Mobile) fällt.

Derzeit beschuldigen sich Anbieter, Nutzer und Unternehmen alle gegenseitig ohne konstruktive Lösungsansätze zu bieten und alle davon tragen irgendwo zu der sehr unbefriedigenden Gesamtsituation bei. Doch sollte man im Rahmen dieses neuen Chrome-Features, auch wenn es derzeit im Canary– und Dev-Channel nur getestet wird, vor allem Google im Auge behalten, für die Online-Werbung auf absehbare Zeit eine um jeden Preis zu erhaltende Einnahmequelle ist. Denn wie schon mit der AMP-Initiative bietet der Chrome-eigene Adblocker Mountain View eine Gelegenheit, AdSense weiterhin attraktiv zu gestalten und die eigene dominante Position auch im Online-Marketing auszubauen. Bleibt die Frage, ob man das will – dazu könnt ihr gerne eure Meinung da lassen.

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