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Katrin Bauerfeind: “Comedy kann mehr als Leute zum Lachen bringen”

Serie über Gleichstellung

Ab 5. November startet die zweite Staffel von “Frau Jordan stellt gleich” (Joyn Plus+). Katrin Bauerfeind (38) kümmert sich in der Hauptrolle als Gleichstellungsbeauftragte Eva Jordan dieses Mal um Themen wie Mädchen in Knabenchören, ehemalige Soldaten, die sich zum Erzieher für Kitas umschulen lassen wollen oder die Frage, darf ein deutsches Kind zu Karneval als Türke gehen, aber nicht als Indianer. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät die Moderatorin und Schauspielerin, warum man mit Humor auf schwierigere Themen aufmerksam machen sollte, wie sie mit dem Erfolg der Serie umgeht und warum die Gleichstellungsdebatte auch in der Comedybranche geführt werden muss.

Katrin Bauerfeind: Es gibt in Deutschland selten die Kombi aus gesellschaftlich relevantem Thema und Comedy. Wir wollten trotzdem probieren mit Humor auf schwierigere Themen aufmerksam zu machen. Unserer Meinung nach war es Zeit, dass über das Thema Gleichstellung auch gelacht wird, was übrigens nicht dasselbe ist wie sich darüber lustig zu machen.

Bauerfeind: Die lustigste Reaktion kam von einer Freundin, die drei Kinder hat und eher das klassische Rollenmodell lebt. Die schrieb mir: “Super Serie, ich wusste ja gar nicht, wie benachteiligt ich bin!” Männer lieben die Gags, Frauen die Themen und unabhängig vom Geschlecht berichten Betroffene, sie seien froh, dass wir das Thema in den Mainstream geholt haben.

Bauerfeind: Und den Fernsehpreis wollen wir nicht vergessen. Da ist man einmal nominiert und dann geht das wegen Corona total unter. Aber egal, allein da überall dabei zu sein, ist wild! Aufgrund des großen Erfolges kann ich mir also total vorstellen mehr umzusatteln, immerhin war ich als Moderatorin noch für nix nominiert.

Bauerfeind: In Deutschland geht es bei Comedy viel um nicht funktionierende Klospülungen nach One-Night-Stands oder Leute, die irgendwo gegen rennen. Ist zwar auch unterhaltsam, will aber nichts. Vor allem in den englischsprachigen Ländern ist Humor eine Möglichkeit auf Themen aufmerksam zu machen, sie erträglicher zu machen oder das Bewusstsein für bestimmte Dinge zu verändern. Bei uns muss Ernstes ernst vorgetragen werden. Wenn gelacht wird, hat man es nicht ernst genommen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wenn man diese Idee zulässt, kann Comedy mehr als Leute zum Lachen bringen. Ich werde jedenfalls nicht aufhören dafür zu werben.

Bauerfeind: Ehrlich gesagt, sieht man ja, wie lange es dauert, bis man an einer einzigen Baustelle weiterkommt. Was die Frage der Gleichstellung angeht, bin ich nicht sicher, ob ich das Ende des Prozesses noch erleben werde. Aber ich bleib da trotzdem dran. Allein über das Ehegattensplitting ließen sich noch sehr viele Witze machen.

Bauerfeind: Ja, denn faktisch haben wir eine Männerquote. Seit jeher folgt auf einen Mann ein anderer Mann und seit jeher wird behauptet, Frauen seien eben einfach nicht gut genug, sie leisteten weniger, verhandelten schlechter oder wollten es am Ende nicht so sehr wie Männer. Die Argumente sind überall und in allen Branchen immer dieselben, die Zahlen übrigens auch. Darüber sollte man reden. Ich habe beispielswese in der Kategorie “Beste Moderation” laudatiert und ausgerechnet in dieser Kategorie waren nur Männer nominiert. Sofern der Comedypreis nicht der Volker-Herres-Gedächtnispreis sein will, ist das aus meiner Sicht schwierig.

Bauerfeind: Klar, gibt es da noch weniger, weil, wie in vielen anderen Bereichen, Frauen lange nicht mal mitmachen durften – und mit lange meine ich die letzten 50 Jahre. Frauen durften auch nicht Fußball spielen, weil man Angst hatte, dass sie O-Beine bekommen. Den Job als Frau überhaupt machen zu können, muss also erstmal ins Bewusstsein und kann dann erst selbstverständlich werden. Das gilt für Mädchen, die Astronautin werden wollen genauso wie für Jungs, die gern Krankenpfleger werden wollen.

Bauerfeind: Irgendwas ist ja immer. Tatsächlich geht es heute oft weniger um Qualität als um ausreichend Follower. Für Entscheider ist das leichter, weil sie sich selbst keine Gedanken mehr machen müssen, sondern vermeintlich richtig stehen, wenn sie nach Popularität gehen. Dadurch geht es oft nicht darum, worum es in einem Job eigentlich geht, nämlich ob man sein Handwerk beherrscht! Andererseits: war das nicht früher auch schon so? Sind früher immer nur die Besten zum Zug gekommen? Ich glaube, eher nein.

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