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Mehr als 90 Verletzte bei neuer Gewalt in Jerusalem

International Besorgnis über Eskalation

Ost-Jerusalem ist am Samstag den zweiten Tag in Folge zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei geworden. Mehr als 90 Menschen wurden dabei am Abend nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds verletzt. Der Protest entzündet sich an der palästinensischen Familien drohenden Zwangsräumung in einem Viertel der Stadt. Die Eskalation der Gewalt löst international Besorgnis aus.

"Es gab 90 Verletzte", sagte ein Sprecher des palästinensischen Roten Halbmonds der Nachrichtenagentur AFP. Zunächst war die Hilfsorganisation von etwas mehr als 50 Verletzten ausgegangen. Die meisten wurden demnach durch Gummigeschosse oder durch Blendgranaten der israelischen Polizei verletzt. Auch Minderjährige seien unter den Opfern.

Vor allem in der Altstadt von Jerusalem und im Ost-Jerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah gingen die Palästinenser auf die Straße, um gegen die dort drohenden Zwangsräumungen zu protestieren. Sie attackierten die israelischen Sicherheitskräfte mit Steinen.

Diese setzten Wasserwerfer, Gummigeschosse und Blendgranaten ein und versuchten, die Demonstranten mit übelriechendem Wasser zu vertreiben, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Bereits am Abend zuvor hatte es Zusammenstöße auf dem Tempelberg und in anderen Teilen Ost-Jerusalems gegeben, bei denen mehr als 200 Menschen verletzt worden waren. Es waren die heftigsten Auseinandersetzungen seit 2017, als die israelischen Behörden an der heiligen Stätte Sicherheitsschleusen mit Metalldetektoren errichten wollten und damit den Zorn der Palästinenser auslösten.

Am Samstagabend blieb es auf dem Tempelberg ruhig, dort beteten muslimische Gläubige nach dem abendlichen Fastenbrechen ohne Zwischenfälle.

Unterdessen wurde aus dem Gazastreifen eine Rakete auf israelisches Gebiet abgefeuert; die israelische Armee erklärte, sie habe daraufhin Stellungen der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas attackiert.

Die Hamas rief die Palästinenser auf, bis zum Donnerstag, dem Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan, am Tempelberg auszuharren. Zugleich drohte die Organisation Israel mit Angriffen, sollte der Oberste Gerichtshof Israels Zwangsräumungen palästinensischer Familien im Viertel Scheich Dscharrah zugunsten jüdischer Siedler genehmigen. Das Urteil wird für Montag erwartet.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte, die Behörden seines Landes agierten "verantwortungsvoll", indem sie dem Gesetz Geltung verschafften und zugleich die freie Religionsausübung ermöglichten. Die Polizei hatte den Zutritt zur Altstadt begrenzt, um weitere Palästinenser daran zu hindern, sich den Protesten anzuschließen. Ein aus dem Süden der Stadt kommender Bus wurde gestoppt, einige palästinensische Insassen wurden festgenommen.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bezeichnete derweil Israel als "grausamen Terrorstaat". Dieser Staat attackiere Muslime, deren einzige Sorge es sei, ihre Häuser zu schützen, sagte Erdogan bei einer Rede in Ankara. Das Vorgehen Israels sei ein Angriff auf alle Muslime. Der türkische Präsident rief die UNO auf, einzuschreiten und die Verfolgung der Palästinenser zu stoppen.

Das Nahostquartett bestehend aus UNO, EU, Russland und den USA äußerte seine "tiefe Besorgnis" über die Vorfälle in Jerusalem. Israel wurde aufgerufen, "Zurückhaltung" zu üben.

by Von Daniella Cheslow und Guillaume Lavallée