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Nationalistischer "Flaggenmarsch" in Jerusalem begonnen

Neue Gewalteskalation zwischen Israelis und Palästinensern befürchtet

In Anwesenheit eines massiven Polizeiaufgebots hat am Dienstag in Jerusalem ein Marsch ultrarechter Israelis begonnen, der als erste Bewährungsprobe für die neue Regierung gilt. Mehr als tausend Demonstranten nahmen an dem "Flaggenmarsch" teil, der sich von einem jüdisch-orthodoxen Viertel im Westen der Stadt in Richtung des annektierten Ostteils bewegte, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Tausende Polizisten waren im Einsatz, um Ausschreitungen zu unterbinden.

Teilnehmer der Demonstration schwenkten die israelische Fahne und sangen Hymnen der israelischen Siedlerbewegung in den besetzten Gebieten. Schon vor Beginn des Marsches war es zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Palästinensern und den Sicherheitskräften gekommen, als diese in Ost-Jerusalem Straßen räumten. Dabei wurden nach Angaben von Mitarbeitern des Gesundheitswesens mindestens 17 Palästinenser verletzt.

Mit dem "Flaggenmarsch" gedenken nationalistische Israelis der israelischen Besetzung von Ost-Jerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967. Im Vorfeld des diesjährigen "Flaggenmarschs" gab es viele Befürchtungen, dass es zu heftigen gewalttätigen Konfrontationen kommen könnte.

Der Marsch hatte ursprünglich bereits am 10. Mai stattfinden sollen. Er wurde damals von den Veranstaltern jedoch abgesagt, nachdem die Polizei die vorgesehene Route nicht genehmigt hatte. Dann wurde die Demonstration für den vergangenen Donnerstag angesetzt, aber nochmals wegen Einwänden der Polizei gegen die Route verschoben.

Die jetzt für den Marsch an diesem Dienstag festgelegte Route war nach Angaben der Regierung zwischen den Veranstaltern und der Polizei abgesprochen. Demnach sollten die Demonstranten die Altstadt nicht durch das Damaskus-Tor betreten, sondern eine andere Strecke nehmen, um den Weg durch das muslimische Viertel der Altstadt zu vermeiden.

Im Mai war es zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem gekommen. Die Krawalle mündeten in eine elftägige Gewalteskalation mit gegenseitigem heftigen Raketenbeschuss zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Bewegung. Dabei wurden mehr als 270 Menschen getötet, die meisten davon Palästinenser.

Der neue israelische Ministerpräsident Naftali Bennett ist selbst ein Nationalist. Die von ihm angeführte Koalition aus acht Parteien umfasst jedoch auch linke und gemäßigte Parteien sowie erstmals eine arabische Partei, die islamisch-konservative Raam-Partei.

Israel hatte den Ostteil von Jerusalem 1980 annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Israel hat ganz Jerusalem zu seiner "unteilbaren" Hauptstadt erklärt, während die Palästinenser Ost-Jerusalem zur Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates machen wollen.

by AHMAD GHARABLI