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Regierung schließt Konsequenzen für Nord Stream 2 wegen Fall Nawalny nicht aus

Kontroverse Debatte um Zukunft des umstrittenen Pipeline-Projekts hält an

Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny schließt die Bundesregierung auch Konsequenzen für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 nicht aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei der Ansicht, "dass es falsch ist, etwas auszuschließen", sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Momentan sei es aber noch zu früh, die Frage nach Konsequenzen zu beantworten. Die Zukunft des Pipeline-Projekts durch die Ostsee wird in Berlin weiterhin kontrovers diskutiert.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Wochenende mit Konsequenzen für das Projekt gedroht: "Ich hoffe jedenfalls nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern", sagte Maas der "Bild am Sonntag". Regierungssprecher Seibert sagte dazu am Montag, die Kanzlerin habe sich der Äußerung des Außenministers angeschlossen.

Seibert verwies zudem darauf, dass derzeit auf europäischer Ebene an einer gemeinsamen Reaktion gearbeitet werde. Nun sei es zunächst Aufgabe Russlands, sich zu dem Vorfall zu erklären: Dies sei die "klare Erwartung" der Bundesregierung an Moskau. Der Regierungssprecher wollte aber keine Angaben dazu machen, wie lange Russland Zeit gegeben werde. Es könne nur sagen, dass sicher nicht von Monaten gesprochen werde.

Die Zukunft des seit Jahren umstrittenen Pipeline-Projekts wird ungeachtet der Position der Bundesregierung in Deutschland kontrovers diskutiert. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans zeigte sich skeptisch in der Frage eines Baustopps. Nord Stream 2 sei ein Infrastrukturprojekt, das zu 90 Prozent fertig sei und der Versorgung Deutschlands diene, sagte er in der ZDF-Sendung "Berlin Direkt". Mit einem Baustopp schade Deutschland "am Ende sich selbst und anderen, die hier gar nicht getroffen werden sollen".

Die Grünen fordern dagegen ein rasches Aus von Nord Stream 2. Er erwarte von der Bundesregierung, dass sie das Projekt beerdige, sagte Parteichef Robert Habeck. Die Pipeline spalte Europa, sei "ökologisch unsinnig, überdimensioniert und sicherheitspolitisch falsch". Das Projekt jetzt durchzuziehen, bedeute, "dass Russland machen kann, was es will".

Die Linke bekräftigte ihre Ablehnung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen des Falls Nawalny. Es sei "dringend notwendig", Druck auf die russische Seite zu machen, um dieses Verbrechen aufzuklären, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger. "Nicht notwendig" seien aber Sanktionen gegen ein Land, bei denen "die ganze Bevölkerung in Geiselhaft" genommen werde. "Deswegen sind wir nicht dafür, das Projekt Nord Stream 2 einzustellen."

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nannte die Debatte um ein Aus für Nord Stream 2 "unverantwortlich". Obwohl kein deutscher Staatsbürger in den Fall Nawalny involviert sei, "wird ernsthaft über Maßnahmen gegen Russland nachgedacht, die negative Folgen für Deutschland und seine Bürger hätten", erklärte Gauland. Die Gas-Pipeline dürfe nicht durch eine "Politik leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, der jedes Augenmaß verloren gegangen ist".

Nawalny wird seit dem 22. August in der Berliner Charité behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Fluges in Russland zusammengebrochen war. Die Bundesregierung erklärte am Mittwoch, dass Nawalny "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden. Moskau weist jede Schuld am Gesundheitszustand des prominenten Kritikers von Staatschef Wladimir Putin zurück.

by Tobias SCHWARZ