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LG G6 Test: Der Hoffnungsträger im ausführlichen Testbericht

Nachdem der modulare Ansatz im letzten Jahr nicht so recht überzeugen konnte, versucht LG mit der G-Serie abermals einen Neustart. Doch kann der Hoffnungsträger LG G6 in dem hart umkämpften High-End-Segment den Erwartungen gerecht werden, die eine Unverbindliche Preisempfehlung von 749 Euro weckt?

Zunächst einmal vielen Dank an LG dafür, dass sie uns ein schwarzes LG G6-Modell in der europäischen Variante haben zukommen lassen. Vom Smartphone einmal abgesehen finden sich in dem schwer zu öffnenden dunklen Karton noch ein modulares Netzteil, ein USB-Kabel und ein Tool zum Öffnen des SIM-Schachtes. Der Verkaufsversion liegen noch ein paar Anleitungen und ein Headset bei.

In den letzten Jahren hat sich LG immer wieder Mühe gegeben, mit der G-Serie neue Wege einzuschlagen. Angefangen mit den rückseitigen Bedienelementen, über die ausgefallene Leder-Optik bis hin zum modularen Ansatz des letztjährigen Modells, der aber nicht nur uns nicht wirklich zu überzeugen wusste. Diesmal setzt man auf ein etwas konventionelleres, aber IP68-zertifiziertes Smartphone-Design, das vor allem mit einer Display-To-Body-Ratio von 80 Prozent begeistern möchte – wozu der Rahmen um das Display auf das nötigste reduziert wurde. Zusammen mit dem neuen 2:1-Format ergibt sich so ein sehr kompaktes Smartphone, das sich trotz des 5.7 Zoll großen Displays problemlos mit einer Hand bedienen lässt.

Vom Display einmal abgesehen finden sich auf der Front der Annäherungssensor, ein LG-Schriftzug, der Telefonlautsprecher und die 5 Megapixel Frontkamera. Wie immer würde ich zur schwarzen Version tendieren, weil dort die Sensoren nicht wirklich auffallen und der extrem schmale Bezel am deutlichsten zur Geltung kommt.

Statt einer Lautstärkewippe finden sich auf der rechten Seite nun zwei separate Tasten, die einen sehr angenehmen Druckpunkt aufweisen können und perfekt in den mattierten Metallrahmen eingepasst wurden. Der umläuft das ganze Smartphone und wird von fünf schmalen Antennenstreifen unterbrochen, die den Empfang verbessern sollen. Auf der linken Seite ist ein relativ breiter Schacht positioniert worden, in den eine NanoSIM- und eine MicroSD-Karte eingelegt werden können. Auf der Unterseite hat sich nur die Anordnung verändert, weiterhin gibt es dort aber den USB Typ C-Port, drei längliche Öffnungen für den Lautsprecher und einen Mikrofon-Eingang. Ein weiteres Mikrofon präsentiert sich auf der Oberseite, direkt neben dem 3.5 Millimeter Klinkenanschluss. Zusammen mit dem Gewicht von 163 Gramm hinterlässt der Aluminiumrahmen einen wertigen und stabilen Eindruck.

Die Rückseite dagegen sagt mir gar nicht zu, denn optisch und haptisch erinnert sie an Plastik, zieht Fingerabdrücke wie magnetisch an und dürfte auf lange Sicht auch mit Mikrokratzern zu kämpfen haben – oder auch mehr, je nachdem wie sorgsam man mit dem Smartphone umgeht. Ein dBrand-Skin oder ähnliches ist hier Pflicht, sonst hat man nicht lange etwas von dem glossy-Look. Immerhin: LG setzt zumindest auf dieser Seite auf die aktuelle fünfte Generation von Corning Gorilla Glass, auf der Front kommt aus unverständlichen Gründen anscheinend nur das vier Jahre alte Gorilla Glass 3 zum Einsatz. Und die beiden Kameras wiederum werden von der vierten Generation des stabilen Glases geschützt, was alles in allem sehr inkonsequent scheint und wie ein Versuch wirkt, die Marge zu erhöhen.

Die Anordnung der Elemente auf der Rückseite hat man weitestgehend vom Vorgänger übernommen, unter den beiden 13 Megapixel-Kameras und dem Dual LED-Flash ist der kreisrunde Fingerabdrucksensor positioniert, sodass wir wieder bei dem überraschten Roboter-Gesicht rauskommen. Jenes steht aber diesmal nicht mehr hervor, sondern schließt plan mit der Glasrückseite ab, die zu den Seiten hin leicht abgerundet ist und direkt in den mattierten Metallrahmen übergeht. Auch hier gibt es bei der Verarbeitung absolut nichts auszusetzen, störende Spaltmaße lassen sich nicht feststellen – eine klare Verbesserung gegenüber dem G5, dass durch die modulare Bauweise da so seine Probleme hatte. In puncto Design und Verarbeitung wird das G6 aber der Unverbindlichen Preisempfehlung von 749 Euro von der Rückseite einmal abgesehen absolut gerecht.

Bei einer Diagonale von 5.7 Zoll bringt es das QHD+-Display aufgrund des ungewöhnlichen 2:1-Formates auf eine Auflösung von 2880×1440 Pixeln. Abermals setzt LG auf ein IPS-Panel, dass neuerdings auch Dolby Vision- und HDR10-zertifiziert ist. Und wie bei fast allen High-End-Smartphones derzeit, gibt es daran nicht viel auszusetzen: Inhalte werden mit 564ppi absolut scharf und Farben natürlich und kontrastreich dargestellt. Blickwinkelstabilität und maximale Helligkeit sind ebenfalls einwandfrei – wenn man sich nicht gerade im strahlenden Sonnenschein aufhält. Lichthöfe oder Clouding sind mit nicht unangenehm aufgefallen, zudem werden bis zu zehn Finger zuverlässig erkannt und Eingaben schnell und präzise umgesetzt.

Gegenüber einem OLED-Panel muss sich die IPS-Technologie einzig beim (an sich sehr guten) Schwarzwert geschlagen geben, was vor allem bei dem Always On-Feature auffällt. Im Standby-Modus präsentiert das Display eine Uhr und den Akkustand, sowie jene Icons, die man sonst in der Benachrichtigungsleiste findet. Während OLED aber ohne Hintergrundbeleuchtung auskommt, verbraucht hier weiterhin das ganze Panel ein wenig Energie und der Hintergrund ist vor allem nicht absolut schwarz. Legt man es im Dunkeln auf dem Nachttisch ab, hat man ein permanentes, schwaches Leuchten. Dass dieses Feature die Benachrichtigungs-LED ersetzt hat, finde ich sehr schade, ich habe es zugunsten der Akkulaufzeit deaktiviert, denn mit Double-Tap-To-Wake lässt sich das Display ohnehin schnell anschalten.

Zu dem 2:1-Format konnte ich mir in den letzten Wochen dagegen keine eindeutige Meinung bilden. Angenehm fällt auf, dass man in vertikal aufgebauten Anwendungen wie Sozialen Netzwerkplattformen, Browsern oder Messengern weniger scrollen muss, weil mehr Content dargestellt werden kann. Außerdem ist das Smartphone deutlich schmaler als andere Modelle mit einer vergleichbaren Displaydiagonale und lässt sich deshalb einfacher mit einer Hand bedienen. Aber bei Videoinhalten, für die das HDR- und Dolby Vision-zertifizierte Panel prädestiniert scheint, ergibt das Format für mich wenig Sinn. Nur die wenigsten dürften regelmäßig Filme im Cine-Format auf einem Smartphone betrachten, stattdessen haben aber nun alle 16:9-Videos auf Youtube oder sonstwo schwarze Balken an den Rändern. In den Einstellungen kann man für neu installierte Apps festlegen, wie diese mit dem Format umgehen sollen. Sinnvoll, denn nicht alle Drittanbieter-Apps kamen mit dem Format klar.

Und dann die abgerundeten Ecken, die eine eher fragwürdige Designentscheidung sind. Ich kann mich Ron Amadeo nur anschließen, der auf arstechnica dazu schreibt: “It’s not particularly good looking, which is tough for a feature designed to do nothing other than look good.“ Wenn die Ecken in der alltäglichen Nutzung überhaupt auffallen, so stellt man auch aus normaler Distanz unweigerlich fest, dass sie nicht wirklich rund sind – die Rundungen ergeben zusammen nicht 360 Grad und sehen einfach merkwürdig aus. In einem xda-Forum hat jemand bereits einen softwareseitigen Fix entwickelt, aber das kann eigentlich auch nicht die Lösung sein.

Das waren jetzt einige Kritikpunkte, die sich aber auf ein Fazit reduzieren lassen: Das QHD IPS-Panel des LG G6 ist unbestreitbar ein hervorragendes Smartphone-Display. Die Features, die es von anderen hervorragenden Smartphone-Displays abheben sollen, erschließen sich mir aber nicht und bringen keinen echten Mehrwert. Die Display-To-Body Ration von 80 Prozent und die dadurch sehr kompakte Bauweise sind aber ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung.

Ob es nun daran lag, dass Qualcomm einfach noch nicht ausreichende Stückzahlen vorweisen konnte, oder sich Samsung den Snapdragon 835 wirklich semi-exklusiv gesichert hatte, wissen wir noch immer nicht. Aber LG musste in diesem Jahr auf den aktuellen Qualcomm-SoC verzichten und vertraut stattdessen auf den bewährten Qualcomm Snapdragon 821 (8996Pro), einen 64bit-SoC der sich aus vier Qualcomm Kryo-CPUs, die mit bis zu 2.35GHz takten, einem X12 LTE-Modem und einer Adreno 530-GPU zusammensetzt.

Wirklich auffallen tut das in der alltäglichen Nutzung aber nicht, der Snapdragon 821 ist ein potenter Chipsatz, der mit jeder aktuellen Anwendung problemlos umgehen kann und sich auch in den synthetischen Benchmarks noch weit vorne einsortiert. Intensives Multitasking stellt dank vier Gigabyte LPDDR4-RAM ebenfalls keine Herausforderung dar und dass LG einen speziellen Gaming-Modus bereithält, indem sich Auflösung und Framerate manuell anpassen lassen, liegt nicht etwa daran, dass die Adreno 530 bei aktuellen Titeln ins Schwitzen geraten würde, sondern soll einfach den Akku schonen. Auf Daydream-Unterstützung muss man leider verzichten, vielleicht wird dieses Feature aber wie beim südkoreanischen Konkurrenten noch nachgeliefert.

Dass die Hardware schon nach der Vorstellung immer wieder kritisiert wurde, liegt aber nicht allein am SoC. Aus dem letzten Jahr scheint auf den ersten Blick auch der Speicher zu sein, denn LG setzt „nur“ auf UFS 2.0 statt UFS 2.1 und verbaut nur 32 GB internen Speicher, von denen nur 21 tatsächlich zur Verfügung stehen. Als jemand der nur sehr wenige Apps installiert hat, komme ich damit absolut hin, da man Musik und Bilder auf der MicroSD-Karte ablegen kann (offiziell werden MicroSDHC-Karten mit einer theoretischen Kapazität von bis zu 2TB unterstützt, diese lassen sich nicht als interner Speicher formatieren), aber bei den High-End-Modellen der Konkurrenz sind 64GB mittlerweile Standard und daran muss sich auch LG messen lassen. Außerdem gibt es in anderen Regionen auch eine 64GB-Variante, oder Modelle mit Wireless Charging und Hi-Fi Quad DAC Audio. Europäische Kunden haben da im internationalen Vergleich das schlechteste Los gezogen – unschön, nachdem man im letzten Jahr schon die ganzen coolen Features auf die überteuerten LG Friends ausgelagert hatte.

Bei den Verbindungen enttäuscht das Smartphone nicht, das LG G6 unterstützt alle relevanten LTE-Frequenzen und ermöglicht auch unterwegs stabiles und schnelles Internet. Das WLAN-Modul unterstützt die IEEE 802.11 a bis ac-Standards und im 2.4- und 5Ghz-Netz lässt es sich angenehm auch in großen Abständen zum Router surfen. Verbindungsabbrücke konnte ich keine feststellen. Zur Positionsbestimmung wird auf GPS, Glonass, Galileo und BeiDou zurückgegriffen und der Satfix funktioniert einwandfrei in ein paar Sekunden auf wenige Meter genau. Auch in Innenräumen.

Mit Wifi-Direct, NFC inclusive Android Beam, Miracast und DLNA ist das G6 auch sonst gut aufgestellt, selbst ein UKW-Radio ist integriert. Einen praktischen Infratorsender, wie ihn das Honor 8 Pro bietet, gibt es aber nicht und der USB Typ C-Anschluss ermöglicht zwar USB OTG und QuickCharge 3.0, beherrscht aber leider nur USB 2.0-Geschwindigkeiten. Statt Version 5.0 kommt außerdem nur Version 4.2 des drahtlosen Übertragungsstandards Bluetooth zum Einsatz, was einmal mehr dem fehlenden Snapdragon 835 geschuldet ist.

Punkten kann LG wiederum bei der Audioqualität: Der Mono-Lautsprecher übersteuert nur bei sehr hoher Lautstärke und liefert einen ausgeglichenen Klang ohne Bässe, in Telefonaten können sich die Gesprächspartner deutlich verstehen. Der Fingerabdrucksensor liefert ebenfalls wenig Grund zur Kritik: Die Zusatzfunktion als Powerbutton ist zwar nicht sehr intuitiv, schon ein einfaches Auflegen des Fingers reicht aber, um das Smartphone zu entsperren. Die Positionierung ist zumindest für mein Empfinden ideal, auch wenn sich der Sensor kaum von der gläsernen Rückseite unterscheiden lässt, liegt der Finger meist automatisch an dieser Stelle. Das Entsperren funktionierte meist zuverlässig, sind die Finger aber nur ein wenig nass oder verschwitzt braucht es aber durchaus mal ein paar mehr Anläufe.

Dual-Cam-Setups sind mittlerweile durchaus etabliert, das südkoreanische Unternehmen verfolgt aber noch immer einen anderen Ansatz als beispielsweise Huawei oder Xiaomi. Neben einem Sensor mit 71° Standardperspektiven-Radius, einer f/1.8-Blende und Optischem Bildstabilisator gibt es einen weiteren mit 125°-Radius, der eine Blende von f/2.4 bietet. Beide lösen mit bis zu 13 Megapixeln auf, erreichen diese aber nur im 4:3-Format. Und wenn man sich genug Zeit nimmt und im manuellen Modus fotografiert lassen sich damit hervorragende Ergebnisse erzielen (alle Bilder hier wurden aber von uns nachträglich komprimiert).

Das trifft aber nicht immer zu. Insbesondere im Automatik-Modus werden die Farben völlig überdreht, oft erscheint alles wie gezeichnet oder einfach unscharf und sieht – insbesondere wenn man es an einem größeren Bildschirm betrachtet – einfach nicht gut aus. Wer die Kamera seines Smartphones primär einsetzt, um Aufnahmen für Social Media oder das Familienalbum zu machen, wird damit glücklich werden. Ambitionierte Fotografen werden aber schnell an die Grenzen stoßen, denn die Software-Optimierungen arbeiten viel zu aggressiv und versuchen insbesondere in nicht-optimalen Lichtverhältnissen verzweifelt das Rauschen in den Griff zu bekommen. Mit der HDR-Option, die mehrere Fotos mit unterschiedlichen Belichtungen aufnimmt und zusammensetzt, kann man da ein bisschen gegensteuern und so in bestimmten Lichtverhältnissen auch sehr gute Aufnahmen erzielen (wie die Bilder zeigen dürften).

Die Weitwinkel-Funktion wurde gegenüber dem Vorgänger aber nochmals deutlich verbessert und der Wechsel zwischen den beiden Kameras ist kaum mehr spürbar. Mit einem Weitwinkel-Radius von 125° werden Panorama-Aufnahmen eigentlich obsolet, wie häufig man aber Motive fotografiert, bei denen diese Perspektive Sinn ergibt, hängt von der persönlichen Nutzungsweise ab. Einen (softwareseitig aber auch bei den anderen Android-OEMS häufig sehr aufgehübschten) Bokeh-Effekt bekommt man mit diesem Dual-Cam-Setup nicht hin.

In dunklen Umgebungen braucht es oftmals mehrere Anläufe, um ein Bild hinzubekommen, bei dem sich das Rauschen noch in Grenzen hält. Wirklich detailliert sind die Aufnahmen aber auch dann noch nicht, adäquate Ergebnisse erzielt man vor allem, wenn man die Belichtungszeit und nicht den ISO-Wert erhöht – ohne Stativ oft nur schwer realisierbar.

Neun Farbfilter sind bereits in die Kamera integriert, außerdem kann man zwischen Panoramas, 360°-Panoramas einem Lebensmittel-Modus (der die Farben endgültig überdreht) und einem seltsamen Pop-Out-Modus wählen. Das Displayformat ausnutzend lassen sich in der „Quadratischen Kamera“ Sucher und ein Galerie-Bild nebeneinander anzeigen, um Grid-Shots zu erstellen, Fotos nachzustellen oder kombinieren zu können, oder das letzte Bild zu betrachten, während man schon das nächste macht. Für anspruchsvollere Nutzer gibt es einen manuellen Modus, indem sich Farbtemperatur, Fokus, ISO-Wert (50-3200) und Belichtungszeit (30“-1/3200) anpassen lassen. Nur dort stehen dann auch Aufnahmen im RAW-Format zur Verfügung, bei denen sich in externen Programmen wie Lightroom oder Photoshop noch mehr rausholen lässt. Auch im manuellen Modus ist das Problem mit der aggressiven Optimierung noch präsent, aber nicht so problematisch wie im Automatik-Modus.

Auch bei der Frontkamera kann man zwischen einem Standardperspektiven-Radius von 71° und einem Weitwinkel-Radius von 100° wählen, wobei sich letzterer natürlich besonders für Gruppen-Selfies eignen soll. Mit einer Blende von f/2.2, EIS und 1.12μm großen Pixeln bekommt man auch in schlechten Lichtverhältnissen halbwegs gute Aufnahmen hin, die eher niedrige Auflösung von fünf Megapixeln und der fixe Fokus machen sich aber schon bemerkbar.

Für Videos steht interessanterweise ebenfalls ein manueller Modus bereit, indem sich Weißabgleich, ISO-Wert und Fokus anpassen lassen. UHD-Videos mit 30fps lassen sich nur mit einem Seitenverhältnis von 16:9 anfertigen, das bildschirmfüllende 18:9- oder das noch weitere 21:9 Cine-Format gibt es maximal in Full HD. Dort können Videos mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet werden, die Videostabilisierung greift aber nur bis 30fps. Für ein Smartphone sind die Aufnahmen meist wirklich gelungen, auch schnellere Bewegungen werden gut ausgeglichen und mit dem Zeitraffer- oder Zeitlupen-Feature lassen sich beeindruckende Ergebnisse erzielen. Selbes gilt für die AOP-Mikrofone, die granular konfigurierbaren Hi-Fi Stereo-Sound aufzeichnen können, der ebenfalls qualitativ überdurchschnittlich ausfällt. Selbst für ambitioniertere Videoprojekte ist das LG G6 absolut gewappnet.

Im Unterschied zu den beiden Vorgängermodellen ist der 3300mAh Li-Ion Polymer Akku, der in dem 7.9 Millimeter dünnen Gehäuse Raum findet, nicht mehr austauschbar – das einzig sinnvolle Feature des modularen Ansatzes beim G5 musste einer fingerabdruckempfindlichen Glasrückseite weichen. Mit dem Akku kommt man durchaus über den Tag, doch fordert das 5.7 Zoll große QHD-Display seinen Tribut. Bei moderater Helligkeit ist die Laufzeit absolut im Rahmen, bei voller Displayhelligkeit, die im Sommer oft unvermeidbar ist, erreicht man aber kaum vier Stunden Screen-On-Time. Gelegentlich hatte ich mittags schon die fünfzig-Prozent-Grenze unterschritten.

Das Always-On-Display zu deaktivieren ist eine gute Methode, um noch ein wenig mehr aus dem Akku herauszuholen, die fehlende Benachrichtigungs-LED macht sich dann aber erst recht bemerkbar. Softwareseitig bietet LG außerdem zwei Energiesparmodi, inklusive einem, der einen in Spielen Auflösung und Framerate anpassen lässt.

Mit moderater Nutzung von Samsung Health, Telegram, Pocket und der Kamera-Anwendung kam ich fast immer problemlos über den Tag, mehr war aber nur selten drin gewesen. Dank Qualcomms QuickCharge 3.0 ist das Smartphone über den USB Typ C-Anschluss zusammen mit dem modularen Netzteil (9/5V, 1.8A) innerhalb von 35 Minuten zu 50 Prozent und nach 100 Minuten bereits wieder voll aufgeladen – wenn man abends noch weggehen möchte, kann man also schnell nochmal ein wenig Energie tanken. Auf Wireless Charging müssen wir in den europäischen Modellen verzichten.

Ein konsistenteres Erscheinungsbild kann man mit der integrierten Theme-Engine der LG UX schaffen, denn diese setzt sich auch in den vorinstallierten Anwendungen fort und überschreibt die verschiedenen Pastellfarben. Auswirkungen hat das aber nur auf die LG-Apps, bei anderen wird lediglich der Hintergrund des Icons geändert – für individuellere oder umfangreichere Anpassungen muss man also dennoch auf einen externen Launcher zurückgreifen. Ich habe diesmal darauf verzichtet, denn auch wenn ab Werk erneut auf einen App-Drawer verzichtet wurde, kann dieser wie schon beim Vorgänger schnell und einfach nachinstalliert werden. Anschließend werden dort Apps und Widgets untergebracht und man kann endlich ein bisschen aufräumen.

Auf dem Homescreen kann man auch das Smart Bulletin aktivieren, das im Wesentlichen eine eigene Seite mit fest platzierten Widgets darstellt. Erinnert ein bisschen an Samsungs Magazine UX und teilt sich mit dieser auch das grundlegende Problem, dass man die Auswahl zwar frei definieren kann, diese aber stark begrenzt ist: In diesem Fall auf den Kalender, die Musik-App, LG Health und Evernote. Dort kann man auch die Smart Settings verwalten, mit denen sich standortbasierte Ton-, Wifi und Bluetooth-Profile festlegen und bestimmte Apps definieren lassen, die beim Verbinden mit einem Kopfhörer oder Bluetooth-Device automatisch gestartet werden.

Die vorinstallierten Anwendungen sind ansprechend gestaltet und zuweilen sogar durchaus praktisch, vor allem QuickMemo+, mit dem sich Notizen inklusive Bildern, Standorten und basaler Textformatierungen erstellen und sogar mit Evernote oder Google synchronisieren lassen, hat sich bei mir bewährt. Wie gehabt lassen sich die meisten Anwendungen aber ohnehin nicht deinstallieren und so können Apps wie der Soundrecorder, Google Chrome oder die LG Health Suite zwar deaktiviert werden, aber belegen dennoch etwas von dem ohnehin knappen Speicherplatz. In den Einstellungen kann man die Navigationsleiste konfigurieren und dort einen Shortcut zum Ausklappen der Benachrichtigungsleiste platzieren, aber auch KnockOn und das AlwaysOn-Display konfigurieren. Mit an Bord ist der Google Assistant, aber auch Drittanbieter-Apps wie Evernote, Instagram und die Google Docs-Suite.

Nachdem ich das bereits am Honor 8 Pro kritisiert habe, muss ich das konsequenterweise auch hier tun: Während die vorinstallierte Android-Version 7.0 Nougat noch halbwegs aktuell sein mag, kann man das von der Sicherheitspatch-Ebene nicht behaupten. Auch mit dem Mai-Release wurden wieder diverse, zum Teil kritische, Sicherheitslücken behoben. Doch während mein bald drei Jahre altes Samsung Galaxy Note 4 diesen längst erhalten hat, dümpelt das G6 noch immer bei einem Security-Level Stand März 2017 rum – für ein aktuelles High-End-Smartphone eigentlich inakzeptabel. Relativierend sei angemerkt, dass es in den USA besser auszusehen scheint, ich kann hier aber leider nur das bereitgestellte Review-Modell bewerten und in der Vergangenheit war auch LG da nicht immer zuverlässig.

Ein bisschen fühlt man sich in das letzte Jahr zurückversetzt, wenn man das LG G6 beurteilen soll. Abermals hat das südkoreanische Unternehmen hier ein hervorragendes Smartphone geschaffen, dass mit einem kompakten Design, einem hervorragenden Display und einer ordentlichen Kamera punkten kann. Problematisch wird es aber, wenn man es in Relation zu anderen High-End-Modellen setzt. Dann fallen der Snapdragon 821, der zu kleine interne Speicher und der USB 2.0 Typ C-Anschluss nämlich erst negativ auf – und das G6 liefert in diesen Disziplinen eben nicht das ab, was eine Unverbindliche Preisempfehlung von 749 Euro (der Straßenpreis liegt zum Zeitpunkt der Review bei 690 Euro) suggeriert: Nämlich ein kompromissloses High-End-Smartphone. Denn das bekommen andere besser hin.

Anders würde dieses Urteil ausfallen, wenn wir in den europäischen Modellen nicht einen so eingeschränkten Funktionsumfang bekommen würden, denn Features wie Wireless-Charging oder ein Hifi Quad DAC, vor allem aber ein größerer Speicher würden das Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich verbessern. Mit dem konventionelleren aber kompakteren Design und dem 2:1-Format hat LG aber auf jeden Fall die richtigen Entscheidungen getroffen und wirklich enttäuscht hat das Smartphone in keiner Disziplin. Der interne Speicher ist der einzige Kritikpunkt, der in der alltäglichen Nutzung wirklich auffallen würde und so bekommt man für sich genommen ein gelungenes High-End-Smartphone, dass auch auf lange Sicht noch für alle Anwendungen ausreichen wird.

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