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SPD-Parteitag sieht frühere Russland-Politik als "Fehler"

Die SPD hat bei ihrem Parteitag Fehleinschätzungen in ihrer Russland-Politik vor dem Ukraine-Krieg eingeräumt. Die Annahme, mit immer stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu einer Demokratisierung Russlands beizutragen, sei "ein Fehler" gewesen und habe in eine energiepolitische Abhängigkeit Deutschlands geführt, heißt es in einem am Samstag beschlossenen Leitantrag. Kanzler Olaf Scholz (SPD) rief auf dem Parteitag dazu auf, die Ukraine wenn nötig auch noch jahrelang im Kampf gegen Russland zu unterstützen.

Deutschland hat der Ukraine seit dem russischen Angriff im Februar 2022 milliardenschwere Finanzhilfen und umfangreichen Waffenlieferungen zur Verfügung gestellt. Angesichts der schwierigen Haushaltslage gibt es Befürchtungen, dass die Bundesregierung ihre Hilfe zurückfahren könnte.

"Dieser Krieg ist wahrscheinlich so schnell nicht vorbei", sagte Scholz. Daher sei wichtig, "dass wir lange in der Lage sind (...) die Ukraine weiter in ihrem Verteidigungskampf zu unterstützen". Dies gelte nicht nur für dieses, nächstes, sondern womöglich auch für übernächstes Jahr.

Deutschland müsse sich dabei sogar darauf einstellen, noch mehr leisten zu müssen, "wenn andere schwächeln", sagte der Kanzler offensichtlich in Anspielung auf die unklare politische Lage in den USA vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Daher müsse es auf deutscher Seite Entscheidungen geben, "dass wir dazu in der Lage sind". 

Die SPD plädierte am Samstag in einem weiteren Beschluss dafür, auch im kommenden Jahr die Schuldenbremse auszusetzen. Begründen will sie die dafür erforderliche Notlage mit den Folgen des Ukraine-Kriegs.

In ihrem Leitantrag zur Außenpolitik lehnt die SPD eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau ab, "solange Russland sein imperialistisches Ziel der Eroberung und Unterdrückung souveräner Staaten verfolgt". Stattdessen müsse "die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden".

In der Debatte am Samstag äußerten sich führende SPD-Vertreter selbstkritisch zur früheren Russland-Politik. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, es sei "ein Fehler gewesen, sich vom System Putin nicht früher zu distanzieren". Fraktionschef Rolf Mützenich räumte ein, er habe das imperiale Denken von Kreml-Chef Wladimir Putin "komplett unterschätzt". 

Mützenich wandte sich gleichzeitig gegen Versuche, die traditionsreiche Entspannungspolitik der SPD an sich in Misskredit zu ziehen. Es sei eine "Schande", sie "in eine Linie mit dem Angriffskrieg" auf die Ukraine zu stellen, sagte er. Und er bekräftigte seine Forderung, Chancen der Diplomatie zu nutzen, um Konflikte zu beenden.

Ein souveränes Europa sei die wichtigste politische Antwort auf die Zeitenwende, heißt es in dem Parteitagsbeschluss. Neben dem Ausbau des Binnenmarktes und der Stärkung des sozialen Europa sei es dabei auch wichtig, "dass die Europäische Union die ineffiziente und ineffektive Zersplitterung in ihrer Verteidigungspolitik und ihren Rüstungsindustrien überwindet". Mit Blick auf die Osteuropapolitik gelte es, "so schnell wie möglich die Voraussetzungen für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus und Georgiens zu schaffen". 

Staaten in aller Welt erwarteten, "dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt", betont der Beschluss. Mit Blick auf China brauche es "eine europäische Resilienzstrategie, die Risiken verringert", forderte die SPD. Eine Abkoppelung sei angesichts der engen Verflechtungen der deutschen und europäischen Wirtschaft mit China "nicht die richtige Antwort".

mt/bk/lan