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US-Armee tötet bei Vergeltungsangriff in Afghanistan zwei ranghohe IS-Mitglieder

Biden kündigt weitere Angriffe an und warnt vor neuem Anschlag in Kabul

Nach dem verheerenden Selbstmordanschlag am Flughafen von Kabul haben die USA bei einem ersten Vergeltungsangriff in Afghanistan zwei ranghohe Mitglieder des regionalen Ablegers der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) getötet. US-Präsident Joe Biden kündigte am Samstag weitere Drohnenangriffe an. Zugleich warnte er eindringlich vor der Gefahr neuer Anschläge in Kabul. Nach Einschätzung der Armeeführung sei "ein Anschlag in den nächsten 24 bis 36 Stunden sehr wahrscheinlich".

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden bei dem Drohnenangriff in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans zwei Logistikexperten des afghanisch-pakistanischen IS-Ablegers Islamischer Staat Provinz Chorasan (IS-K) getötet. Ein weiterer Dschihadist sei verletzt worden, sagte US-General Hank Taylor.

Das Pentagon machte keine Angaben dazu, ob den bei dem Drohnenangriff attackierten IS-Mitgliedern eine direkte Beteiligung am Anschlag in Kabul vorgeworfen wurde. "Sie waren Planer und Vermittler des IS-K. Das allein ist schon Grund genug", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.

IS-K hatte den Selbstmordanschlag, bei dem am Donnerstag zahlreiche Zivilisten sowie 13 US-Soldaten getötet worden waren, für sich reklamiert. Ranghohe Vertreter der ehemaligen afghanischen Regierung sagten AFP, bei dem Anschlag seien mehr als hundert Menschen getötet worden. Einige Medien berichteten sogar von rund 170 Toten.

Biden kündigte nach der Drohnenattacke am Samstag weitere Vergeltungsangriffe auf Mitglieder des IS-K an. Dies sei "nicht der letzte" Angriff auf diejenigen gewesen, "die in diesen niederträchtigen Anschlag verwickelt waren", sagte der US-Präsident.

Er warnte vor weiteren Anschlägen am Kabuler Flughafen. "Die Lage vor Ort ist nach wie vor extrem gefährlich, und die Gefahr von Terroranschlägen auf den Flughafen bleibt hoch", erklärte Biden. Nach Einschätzung der Armeeführung sei "ein Anschlag in den nächsten 24 bis 36 Stunden sehr wahrscheinlich". Der Schutz der US-Soldaten am Flughafen habe höchste Priorität.

Auf dem Gelände des Flughafens warteten am Samstag nach US-Angaben noch mehr als 5000 Menschen auf eine Chance zur Ausreise. Die zum Flughafen führenden Straßen wurden inzwischen von den Taliban abgeriegelt, Kämpfer der Islamisten lassen nur autorisierte Fahrzeuge passieren. "Wir haben Listen von den Amerikanern", sagte ein Taliban-Vertreter zu AFP. "Wenn Ihr Name auf der Liste steht, kommen Sie durch."

Die USA wollen bis Dienstag alle Soldaten aus Afghanistan abziehen. Ironie der Geschichte nach 20 Jahren Militäreinsatz: Um den Ablauf der Evakuierungen sicherzustellen und zum Schutz vor dem IS müssen die US-Soldaten eng mit den Taliban zusammenarbeiten.

Nach Angaben von Taliban-Sprecher Bilal Karimi übernahmen die Taliban bereits die Kontrolle über Teile des Flughafens von Kabul. Das Pentagon betonte jedoch, dass die US-Armee weiter die Kontrolle über die Zugänge zum Flughafengengelände sowie den Betrieb der Evakuierungsflüge habe.

Kirby bestätigte aber, dass die US-Armee damit begonnen habe, ihre Einsatzkräfte vom Flughafen abzuziehen. Wieviele US-Soldaten Kabul bereits verlassen haben, sagte er nicht.

Die Bundeswehr hatte am Donnerstag ihre Rettungsflüge aus Kabul beendet, ebenso die Niederlande und Australien. Am Freitag folgten unter anderem Frankreich, Spanien, Schweden, Norwegen und die Schweiz. Großbritannien beendete seinen Rettungseinsatz am Samstag.

Seit dem 14. August, dem Tag vor der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Kabul, wurden nach jüngsten Angaben der US-Regierung etwa 112.000 Menschen über die Luftbrücke aus Afghanistan ausgeflogen. Zahlreiche im Land verbliebene Afghanen fürchten eine neue Schreckensherrschaft der Taliban wie zwischen 1996 und 2001. Die Vereinten Nationen rechnen mit bis zu einer halben Million weiteren afghanischen Flüchtlingen bis Jahresende.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet am Samstag mit dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte über die Lage in Afghanistan nach dem Ende der internationalen Evakuierungsmission. Alle drei seien sich einig gewesen, "dass der Ausreise von Staatsangehörigen, Ortskräften und schutzbedürftigen Menschen aus Afghanistan auch weiterhin höchste Priorität zukommt, ebenso wie der humanitären Versorgung der Bevölkerung und der Flüchtlinge in der Region", erklärte Merkels Sprecher Steffen Seibert.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, seine Regierung führe in Katar Verhandlungen mit den Taliban. Ziel der Gespräche sei es, auch künftig "gezielte Evakuierungsmaßnahmen" vornehmen zu können, um schutzbedürftige Afghanen außer Landes zu bringen.

by Von David FOX