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Weltklimarat: Erde wird sich bereits bis 2030 um 1,5 Grad erwärmen

Erkenntnisse des Weltklimarats erhöhen Druck für Ausstieg aus fossilen Energien

Die Erde erwärmt sich schneller als bislang angenommen und wird bereits gegen 2030 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter sein – zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Das ist das Ergebnis des ersten Teils des am Montag in Genf veröffentlichten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC. Bundesforschungsministerin Karliczek sprach von einem “nicht mehr zu überhörenden” Warnsignal. Die EU, die USA und Großbritannien forderten rasches Handeln.

Die Erderwärmung sei “eindeutig” durch den Menschen verursacht, heißt es in dem IPCC-Bericht. Die bereits stattgefundene Erwärmung um 1,1 Grad seit Mitte des 19. Jahrhunderts sei bis auf einen Bruchteil auf den Menschen zurückzuführen. Die “Rolle des menschlichen Einflusses auf das Klimasystem ist unbestritten”, erklärte Valérie Masson-Delmotte, Ko-Vorsitzende der zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe.

Einige Auswirkungen der Erderwärmung wie der Anstieg der Meeresspiegel und das Schmelzen der Gletscher sind nach Angaben der UN-Klimaexperten bereits heute “unumkehrbar”. Selbst bei einer drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen würden die Meeresspiegel weiter ansteigen und “für tausende Jahre erhöht bleiben”, heißt es in dem Bericht.

Die IPCC-Berichte gelten als wegweisend für die globale Klimapolitik. Im ersten Teil, an dem mehr als 230 Expertinnen und Experten aus 66 Ländern mitgewirkt haben, geht es um naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels. Im kommenden Jahr sollen zwei weitere Teile folgen, den Abschluss bildet ein Synthesebericht.

Die Erkenntnisse sind von wesentlicher Bedeutung für die Frage, wie das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens noch erreicht werden kann, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits um 1,1 Grad Celsius erwärmt.

Der IPCC-Bericht macht deutlich, dass ein Überschreiten des 1,5-Grad-Ziels wahrscheinlich ist. Selbst bei Einhalten des Wertes würden Häufigkeit und Intensität von Wetterextremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren zunehmen, erklärten die Experten.

Allerdings gibt der Bericht auch Anlass zur Hoffnung: Die globale Oberflächentemperatur wird demnach zwar in allen fünf durchgespielten Szenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Im optimistischsten Szenario sinkt die Erwärmung bis 2100 jedoch wieder auf 1,4 Grad.

Die Berichtsautoren betonten, dass im Kampf gegen die Erderwärmung jedes Zehntelgrad zählt. “Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt”, erklärte etwa die in Oxford forschende deutsche Klimaexpertin Friederike Otto.

Derzeit steuert die Erde allerdings auf eine Erwärmung von mindestens drei Grad zu. Wie sich eine fortschreitende Erderwärmung auswirkt, machten diesen Sommer Überschwemmungen in Deutschland, Waldbrände im Mittelmeerraum und Hitzerekorde in Nordamerika deutlich.

Weltweit wurde der Bericht als dringendes Signal zum Handeln aufgefasst. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte: “Dieser Bericht muss die Totenglocke für Kohle und fossile Treibstoffe läuten, bevor sie unseren Planeten zerstören.”

“Wir alle haben es jetzt in der Hand, die 2020er Jahre zu einem Klimaschutzjahrzehnt zu machen und die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen”, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Auch die EU-Kommission sieht sofortigen Handlungsbedarf. Der Bericht zeige “die extreme Dringlichkeit, jetzt zu handeln, um die Klimakrise zu bewältigen”, schrieb EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans auf Twitter. “Wir können ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen nicht länger hinauszögern”, erklärte auch US-Außenminister Antony Blinken.

Er hoffe, dass der IPCC-Bericht “ein Weckruf für die Welt sein wird”, erklärte der britische Premierminister Boris Johnson. Großbritannien ist Gastgeber der UN-Klimakonferenz im November in Glasgow.

Umwelt- und Entwicklungsorganisation wie Germanwatch, WWF, Greenpeace und der Nabu mahnten ebenfalls zu einem schnellen und entschiedenen Eindämmen des Klimawandels.

by Von Amélie BOTTOLLIER-DEPOIS

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