Es ist kaum vorstellbar, welchen Schmerz Horst Lichter (63) durchleben musste, als er sich für immer von seiner kleinen Tochter Nicole verabschieden musste. Mit nur sechs Monaten verlor sie ihr kurzes Leben durch den plötzlichen Kindstod – ein Moment, der den damals 22-jährigen Horst Lichter in eine tiefe, dunkle Trauer stürzte.
Doch was diesen Verlust noch schwerer machte, war die Reaktion seines Umfelds: Statt Unterstützung und Trost zu finden, erlebte er das genaue Gegenteil. Viele Menschen zogen sich zurück, gingen ihm aus dem Weg, anstatt für ihn da zu sein. "Plötzlich machten alle einen Bogen um mich“, erinnert sich Horst Lichter heute. Der Tod eines Kindes ist eine Tragödie, die so tief sitzt, dass viele Menschen sich hilflos fühlen und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. „Dein Umfeld verändert sich“, sagt Lichter. "Beim Tod eines Kindes kommt keiner mehr zu dir. Es will keiner mehr großartig etwas mit dir zu tun haben – denn das tut ja allen leid.“ Lesen Sie hier mehr:
Die Gründe dafür sind vielschichtig: Manche hatten Angst, etwas Falsches zu sagen oder seine Situation noch schlimmer zu machen. Andere wollten einfach nicht mit dieser schweren Last konfrontiert werden. So blieb Horst Lichter im Jahr 1984, gerade einmal 22 Jahre alt, allein mit seinem Kummer. Seine Frau, selbst in tiefer Trauer gefangen, konnte ihm nicht den Halt geben, den er so dringend benötigt hätte. "Aber wenn man dich sieht, guckt man, dass man schnell wegkommt, weil das ein Problem ist“, beschreibt Lichter die Reaktionen seiner Mitmenschen.
In solchen Momenten ist es essenziell, jemanden an seiner Seite zu haben – jemanden, mit dem man reden kann, der zuhört und einfach da ist. Doch genau diese Unterstützung fehlte Horst Lichter. "Mit ,Tut mir leid‘ hilft man keinem weiter“, sagt er heute rückblickend. "Also musst du dich da wieder rausbewegen, wenn du weiterleben möchtest.“ Statt sich in Groll und Bitterkeit zu verlieren, entschied sich Lichter, dem Leben weiterhin mit Offenheit und Freundlichkeit zu begegnen. „Du musst das geben, was du selbst gerne hättest“, erklärt er. „Das sind Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt.“ Diese Einstellung half ihm, den Schmerz Stück für Stück zu verarbeiten und seinen Weg zurück ins Leben zu finden.
Horst Lichters Geschichte ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie wichtig menschliche Nähe und Empathie in Zeiten des Verlusts sind. Oft genügt schon ein offenes Ohr oder eine einfühlsame Geste, um jemandem in seiner dunkelsten Stunde beizustehen. Denn wer einen solchen Verlust erlebt, braucht vor allem eins: das Gefühl, nicht allein zu sein. Heute, Jahrzehnte später, spricht Lichter offen über diese schwierige Zeit. Seine Worte erinnern uns daran, wie kostbar echte menschliche Verbundenheit ist – besonders in Momenten, in denen wir sie am nötigsten brauchen.