Zum ersten Mal hat sich die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU) kritisch zu einigen Punkten in der Corona-Pandemie geäußert. Dabei gab die Kanzlerin offen das größte Versagen der Regierung in der Corona-Krise zu. So bezeichnete die Kanzlerin es als größten Fehler keinen besseren Schutz für Altenheime im Winter 2020 beschlosssen zu haben, Damals waren mindestens 30.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen gestorben, die sich zuvor mit Covid-19 infiziert hatten.
Zum ersten Mal spricht die Kanzlerin nun nämlich über den
schwächsten Moment der gesamten Pandemiebekämpfung. Dies sei nach Auffassung der Kanzlerin die Zeit kurz vor Weihnachten 2020 gewesen. Damals hatte man von Seiten der Bundesregierung lange gezögert, bis man eine Regelung für die Feiertage durchgesetzt habe. Zudem habe es zu lange gedauert, bis die Pflegeeinrichtungen das schützende Test-Regime umsetzen konnten. Diesen Zusammenhang würdigte nun Kassenärzte-Chef Andreas Gassen (59, KBV): “Es spricht für die persönliche Größe der scheidenden Kanzlerin, ein solches Versäumnis einzuräumen.“ Allerdings machte Gassen auch deutlich, dass sich ein solcher Fehler nicht wiederholen dürfe. Damals hatte Gassen gemeinsam mit den Virologen Hendrik Streeck (44, Uniklinikum Bonn) und Jonas Schmidt-Chanasit (42, Uni Hamburg) einen deutlich besseren Schutz für die Pflegeheime und Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen gefordert. Stattdessen war von Seiten der Buhndesregierung auf einen generellen Lockdown gesetzt worden. Damals vertrat Merkel den Standpunkt, man könne die Risikogruppen nicht vollständig schützen. Aus diesem Grund war das Testkonzept nur mit Verzögerung umgesetzt worden, als es bereits zu spät war. Andere Konzepte hatten die Kanzlerin damals scheinbar mehr überzeugt.
Konkret ging es um das Schutzkonzept von Gassen, Streeck und Schmidt-Chanasit, das die Experten für Altenheime entworfen hatten. Demnach sollten Besucher in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern nur mit Negativ-Test und FFP2-Maske Zutritt erhalten. Außerdem hatten die Experten vorgeschlagen, die Kontaktnachverfolgung auf die entsprechenden Gruppen zu priorisieren. Grundsätzlich hatte das Papier der Experten zum Großteil auf die Eigenverantwortung der Bürger abgezielt. Bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten hatte Merkel dann diesen Rat jedoch ignoriert und stattdessen den sogenannten “Wellenbrecher-Lockdown“, beschlossen, der Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Restaurants zur Folge gehabt hatte. Alten- und Pflegeheime blieben bei diesen Maßnahmen außen vor. Ein schwerwiegender Fehler, da ein Großteil der Todesopfer im Winter 2020 auf infizierte Menschen aus Alten- und Pflegeheimen zurückzuführen war.
Auch in diesem Jahr wird trotz der Impfungen mit einer steigenden Zahl an Infektionen in der Pandemie gerechnet. Nach Möglichkeit sollen die Fehler des vergangenen Winter nun vermieden werden. Jetzt fordert Eugen Brysch, der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, dass man alle Pflegebedürftigen mit kostenlosen Schnelltests schützen soll: “Die 2,3 Millionen Hilfebedürftigen in Deutschland muss man mit täglichen kostenlosen Tests schützen.“ Dies würde bedeuten, dass man tägliche Testungen für 1 Million Menschen in ambulanter Pflege, 900.000 Menschen in stationärer Pflege und 400.000 Menschen in Krankenhäusern durchführen müsste. Dazu kommen noch alle Mitarbeiter und deren Kontaktpersonen. Denn nach Meinung von Brych reiche der Impf-Status alleine nicht aus. “So verhindern wir, dass Hunderttausende in Pflegeheimen vereinsamen, am Virus erkranken oder sterben. Um mit dem Virus zu leben, muss keine Schule, kein Kino und kein Restaurant geschlossen werden. Es gilt nicht alles zu tun, sondern das Richtige. Dafür braucht es keinen Lockdown“, verdeutlicht der Mediziner seinen Standpunkt.