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Zerbrechlich hinter dem Rampenlicht: Kerstin Ott und ihr Kampf gegen die inneren Dämonen

Heide – Wer an Kerstin Ott denkt, denkt an Ohrwürmer wie „Die immer lacht“ und an ausgelassene Stimmung auf den großen Bühnen der Republik. Doch hinter dem warmen Lächeln der 43-jährigen Sängerin verbarg sich lange Zeit ein düsterer Schatten, den kaum jemand sah. In der neuen Folge des Podcasts "Plantbased“ mit Host Yannick Haldenwanger gibt Ott nun einen schonungslos ehrlichen Einblick in ein Leben zwischen Scheinwerferlicht und Selbstzerstörung.

Angst, Alkohol und ein leerer Blick

An ihre ersten Auftritte? Kaum eine Erinnerung. "Ich war sturzbetrunken“, gesteht sie ohne Umschweife. Die Angst, vor Menschen zu singen, war so lähmend, dass sie sich noch hinter der Bühne mit Wodka Mut antrank. "Ich wusste einfach nicht, wie ich das sonst überstehen sollte.“ Was als Ausweg begann, wurde schnell zur Gewohnheit: Viermal pro Woche betrunken, oft schon vor dem ersten Takt. "Meine Frau sagt heute noch, ich bin nüchtern auf die Bühne – und betrunken wieder runter“, erinnert sie sich. Alkohol sei in der Eventbranche wie selbstverständlich – eine gefährliche Kombination für jemanden wie sie. "Ich bin ein Ganz-oder-gar-nicht-Typ. Zwei Gläser und dann nach Hause? Das funktioniert bei mir nicht. Ich war immer die Letzte an der Bar.“ Lesen Sie hier mehr:

Der Wendepunkt – ein einsamer Weg in Portugal

Und dann kam Portugal. Frühling 2023. Ein Solo-Trip sollte es sein, eine Auszeit. Es wurde ein Wendepunkt. Allein wanderte sie den Fishermen’s Trail, 27 Kilometer entlang der Küste, das Meer immer zur Seite – eine scheinbar perfekte Kulisse. Doch als das Wasser ausging, griff sie nicht etwa zur Trinkflasche – sondern fand in ihrem Rucksack nur noch eine halbe Flasche Wodka. "In dem Moment hat es Klick gemacht. Ich stand da, völlig dehydriert, mit Wodka statt Wasser – und da wusste ich: Kerstin, jetzt ist wirklich Schluss. Deine Prioritäten sind völlig falsch.“ Dieser Moment veränderte alles. Seitdem: kein Tropfen Alkohol. Keine Zigarette. Stattdessen ein veganer Lebensstil, Bewegung, Natur. Und Achtsamkeit – im Kampf gegen sich selbst.

Sucht war ein ständiger Begleiter – von Kindesbeinen an

Denn Alkohol war nicht ihre erste Abhängigkeit – und lange nicht ihre letzte. Mit elf Jahren fing sie an zu rauchen, mit 18 rutschte sie in die Spielsucht. Über 150.000 Euro verzockte sie – fast ihr ganzes Hab und Gut. Kaum hatte sie sich aus dieser Hölle befreit, stürzte sie mit Mitte 20 ins exzessive Nachtleben. „Jede Sucht hat sich bei mir die Klinke in die Hand gegeben“, sagt sie heute nüchtern. Doch heute weiß sie um ihre Muster. Und um ihre Schwächen. "Ich kompensiere jetzt mit Musik, mit Zeit draußen, mit Bewegung. Aber ich muss wachsam sein. Jeden Tag.“

Ihr Appell: "Bleibt dran – es lohnt sich!“

An alle, die sich in ihren Worten wiedererkennen, richtet Ott einen eindringlichen Appell: "Gebt nicht auf. Bleibt dran. Es lohnt sich.“ Ihre eigene Spielsucht besiegte sie nicht beim ersten, nicht beim zweiten – sondern erst beim zehnten Versuch. Ihr Leben, das früher von dunklen Abgründen geprägt war, ist heute heller – aber nicht sorglos. Es ist ein täglicher Kampf. Doch einer, den sie jetzt gewinnen will. Schritt für Schritt.


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