Warum ein eigenes Android-Smartphone von Google keinen Sinn ergibt


Alle Jahre wieder geht die Nachricht um, dass Google neben der Nexus-Reihe an einem eigenen Smartphone arbeiten würde. Passiert ist in dieser Richtung bisher nicht viel und dennoch heißt es in einem weiteren Bericht erneut, dass man bei Google plant, ein eigenes Android-Smartphone auf den Markt bringen zu wollen.

Bei Google hält der Trend zur Produktion eigener Hardware schon länger an. Neben dem Chromecast hat sich auch die Nexus-Reihe als feste Größe am Markt etabliert. Mit der Pixel-Serie hat man Chromebooks und seit letztem Jahr auch ein Android-Tablet im Angebot und auch Google Home und Project Ara möchten die Kalifornier selber produzieren. Denkbar wäre ein eigenes Android-Smartphone direkt von Google also schon und würde von der Android-Community sicherlich auch als sehr positive Entwicklung wahrgenommen werden.

Zahlreiche Apple-Produkte und nicht zuletzt auch die Microsoft Surface-Serie beweisen eindrucksvoll, was man mit perfekt abgestimmter Hard- und Software erreichen kann und auch Google dürfte ein Interesse an derartigen Optimierungen haben. Mit der Neustrukturierung der Hardware-Sparte und der Rekrutierung des ehemaligen Motorola-CEO Rick Osterloh für die Leitung selbiger wären die Voraussetzungen für ein stärkeres Engagement im Hardware-Bereich jedenfalls geschaffen.

Ein Google Phone als Entwicklerplattform

Aber was wäre die Zielgruppe eines Android-Smartphones, das direkt von Google kommt? Gut, da wären zum einen die Android Entwickler. Die Nexus-Geräte distanzieren sich zusehends von der Rolle als reine Entwickler-Plattform und sind in den letzten Jahren durchaus im Mainstream-Markt angekommen, auch wenn sie in Sachen Verkaufszahlen längst nicht mit den Flaggschiffen von Xiaomi, Huawei oder Samsung mithalten können. Das bedeutet auch, dass die jeweiligen Kooperationspartner durchaus finanzielle Interessen verfolgen und zumindest über die Hardware der Geräte gerne noch etwas mehr Kontrolle haben würden. Wahrscheinlicher als eine Consumer-Variante wäre in meinen Augen daher eine Entwickler-Version, die genau auf die eigenen Vorstellungen und Erwartungen an ein Android-Smartphone zugeschnitten ist und die Nexus-Reihe in dieser Funktion ablöst. So könnte Google eine Referenzplattform schaffen, bei der Hardware und Software fest in ihrer Hand liegen.

Das Problem mit den anderen Android-Herstellern

Der Vorteil einer klaren Zielgruppe und entsprechend geringen Stückzahlen: Man tritt nicht in direkte Konkurrenz mit den zahlreichen Android-OEMs. Ein Android-Smartphone von Google für den Massenmarkt – das würden die meisten Hersteller nur ungern sehen. Zu abhängig sind diese bereits in Sachen Software von den Kaliforniern. Auch Google möchte diese Konkurrenz nicht, das beweist unter anderem die bereits angesprochene Nexus-Reihe. Indem man seine bisherigen Smartphones immer nur in Kooperation mit wechselnden Partnern vorgestellt hatte, konnte Google für sich in Anspruch nehmen, nicht direkt in diesen Markt einzugreifen. Das man diese Strategie fortführen möchte erkennt man nicht nur an den bereits bekanntgewordenen Details über die neuen Nexus-Smartphones, sondern auch an der Kooperation mit Lenovo bei Project Tango.

Als Motorola damals in Googles Hand überging, war es das gleiche Spiel. Erinnert sich noch jemand an die inoffiziellen Gründe, warum Google das zuvor so teuer erworbene Motorola letztlich an Lenovo abgetreten hatte? In Form der Moto X und G Reihe engagierten sich die Mountain Viewer bereits durchaus erfolgreich im Smartphone-Markt, was den OEMs – in diesem Fall vor allem Samsung – aber gar nicht gefiel. Google andererseits hatte zuvor mit Sorge beobachtet, wie sich Samsungs Magazine UX immer mehr von Stock Android entfernte, also ließ man sich auf einen Deal ein und verkaufte Motorola. Am gleichen Tag unterzeichneten Samsung und Google einen großangelegten Patentaustausch und kündigten zudem eine Partnerschaft an, künftig in Sachen TouchWiz enger zusammenzuarbeiten.

Auch das Google Pixel C bauen die Kalifornier bereits in Eigenregie
Auch das Google Pixel C bauen die Kalifornier bereits in Eigenregie

Die Führungsposition am Markt ist Android sicher, das Betriebssystem läuft auf acht von zehn neu verkauften Smartphones und ein Großteil der Kunden wird auch fleißig die vorinstallierten Google-Dienste nutzen. Aus Googles Sicht läuft alles gut und es gibt nicht wirklich einen Grund daran etwas zu ändern. In Sachen eigener Smartphones wird man sich eher auf Project Ara konzentrieren und vielleicht bei HTC und Co darauf bestehen, auch bei der Nexus-Reihe bei der Gestaltung der Hardware mehr mitreden zu dürfen.

Überhaupt, die Nexus Reihe: Laut dem Bericht, der die erneute Diskussion allerorts wieder losgetreten hat, bleibt diese neben einem offiziellen Google Phone weiter bestehen. Man würde sich also mit einem eigenen Android-Smartphone selbst Konkurrenz machen und hätte – Project Ara mit einbezogen – innerhalb kürzester Zeit vier neue Smartphones im Portfolio. Bei Messengern mag man sich mit Neuvorstellungen nicht so zurückhalten, aufgrund der bereits angesprochenen Kooperation mit den Hardware-Partnern ist eine ähnliche Strategie auf dem Smartphone-Markt aber eher unwahrscheinlich. Mit Samsung und Huawei wird zudem bereits jetzt zwei großen Herstellern nachgesagt, sich mit eigenen Betriebssystem für genau einen solchen Fall vorzubereiten: Das Google mit Android nach zu viel Kontrolle strebt und in direkte Konkurrenz zu ihnen tritt.

Aufgrund all dieser Gründe würde ich die Berichte über ein eigenes Android-Smartphone seitens Google mit Vorsicht behandeln und halte selbiges in absehbarer Zeit für eher unwahrscheinlich, auch wenn es mich als Android-User natürlich reizen würde.

Quelle: The Telegraph via 9to5Google

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